Bereits seit Januar ist die deutsche Sprachausgabe der zwölfteiligen Anime-Serie The Promised Neverland erhältlich, wahlweise im Stream auf ANIMAX PLUS oder als DVD- und BD-Ausgabe bei peppermint anime. In der AnimaniA 2/2020 haben wir euch bereits unsere große Review des aufwühlenden Survival-Schockers nach der gleichnamigen Manga-Vorlage von Kaiu Shirai und Posuka Demizu präsentiert und in diesem Rahmen auch ein Interview mit unseren AnimagiC 2019-Ehrengästen, Regisseur Mamoru Kanbe und Produzent Kenta Suzuki, die uns ein paar tiefere Einblicke in die Produktion des Anime-Hits gegeben haben. Zum Release des zweiten abschließenden DVD- und Blu-ray-Volumes bei peppermint anime am 23. März lest ihr hier nun die komplette Version unseres Gesprächs mit den beiden Künstlern. Viel Spaß!
Hallo Herr Kanbe, hallo Herr Suzuki, und zunächst einmal vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für unser Interview nehmen! Würden Sie sich unseren Lesern zunächst kurz vorstellen und einen Überblick über Ihren Werdegang in der Anime-Branche geben?
Mamoru Kanbe (MK): Hallo, ich bin der Regisseur von The Promised Neverland. Ursprünglich wollte ich im Bereich Live-Action-Filme arbeiten, aber dieser Weg hat leider nicht geklappt, daher habe ich mich für Animation entschieden. Meine erste Anstellung in der Anime-Branche war als Production Assistant, danach war ich Assistant Director und wurde schließlich zum Regisseur. Einige Jahre lang bestand meine Arbeit aus Ethik-Lehrmaterial und Aufträgen von Gemeindeverwaltungen. Doch nach und nach war ich auch im TV-Bereich aktiv und wurde dann schließlich gefragt, ob ich nicht Regisseur für eine TV-Serie machen könnte. So wurde ich zum Regisseur für TV-Serien.
Kenta Suzuki (KS): Hallo, ich heiße Kenta Suzuki und bin Produzent bei Aniplex. Ich wollte Anime-Produzent werden und bin 2009 Aniplex beigetreten. Nach meinem Eintritt in die Firma habe ich 6 1/2 Jahre Erfahrungen im Bereich Promotion gesammelt und wurde danach in meine Wunschabteilung Production versetzt. Hier arbeite nun seit vier Jahren als Produzent. Als Promotion Producer war ich involviert in Werke wie Sword Art Online, Anohana, Magi, Aldnoah.Zero, zu meinen produzierten Werken gehören Erased, Gran Blue Fantasy, Gun Gale Online, The Promised Neverland und viele mehr.
Gibt es irgendwelche Animes, Mangas, Live Action Movies, Bücher, Games oder Sonstiges, die Sie zu Ihren All Time Favorites zählen und die Sie womöglich sogar in Ihrer Arbeit als Filmschaffender beeinflusst haben?
MK: Da gibt es einige, die mich sicherlich auch beeinflusst haben: A Clockwork Orange, 2001: A Space Odyssey, The Shining, Apocalypse Now, Dracula, Alien, Zigeunerweisen, March comes in like a lion, Merci la vie und so weiter. Ich würde gerne Filme wie diese selbst schaffen. Und – früher war es mir selbst gar nicht so bewusst – in letzter Zeit habe ich gemerkt, dass ich mich auch von Akio Jissojis Werken habe beeinflussen lassen.
KS: Im Bereich Anime: Neon Genesis Evangelion. Die Begegnung mit diesem Titel im Alter von 10 Jahren war für mich eine Urerfahrung für die Wahl meiner jetzigen Arbeit. Bei Mangas … schwierig, aber wenn ich mich für etwas entscheiden müsste, dann wären es die Werke von Yasuhiro Togashi, also zum Beispiel Yu Yu Hakusho, Level E und HUNTER x HUNTER, diese haben mich sehr beeinflusst. Bei Live-Action-Filmen ist Avengers: Endgame seit diesem Jahr meine neue Nummer eins. Es ist ein wundervolles Werk, woraus man die Kontinuität aus den 10 Jahren erkennen kann. Ich möchte gerne solch ein Projekt produzieren. Bei Büchern fallen mir keine konkreten Titel ein, aber ich lese oft Werke zu Themen oder Genres, die man schwierig als Anime darstellen kann. Bei Games ist es auch schwierig… einen starken Eindruck haben die Spiele LIVE A LIVE und Tenchi Sozo (Anm. d. Red.: in Europa veröffentlicht als Terranigma) hinterlassen, die ich als Kind gespielt habe. Unter den Titeln der letzten Zeit fand ich 13 SENTINELS:AEGIS RIM super. Es ist sicher nicht einfach, aber wenn ich die Chance hätte, würde ich das gerne als Film-Content adaptieren.
Kommen wir zu The Promised Neverland: Können Sie uns erzählen, wie Sie erstmals mit diesem Thema in Berührung kamen und wie es schließlich dazu kam, dass Sie als Produzent beziehungsweise Regisseur für dieses Projekt verpflichtet wurden?
KS: Ich lese jede Woche die Weekly Shonen Jump, und meine erste Begegnung mit diesem Titel war, als der Manga dort startete. Ich fand das erste Kapitel auf Anhieb interessant und habe den Manga danach jede Woche verfolgt wie alle anderen Leser. Beim Lesen des 37. Kapitels habe ich gedacht: „Was für eine wunderbare Wendung! Das möchte ich als Anime produzieren!“ Also habe ich dem Originalverlag Shueisha eine Anime-Adaption vorgeschlagen und trotz vieler anderer Interessenten, die dieses beliebte Werk adaptieren wollten, den Zuschlag bekommen. Danach haben wir den Staff einschließlich des Animationsstudios CloverWorks zusammengestellt und die Produktion vorangetrieben.
MK: Meine erste Begegnung mit dem Titel war, als CloverWorks mir die Manga-Bücher zum Lesen gab. Danach wurde ich gefragt, wie ich es fand, woraufhin ich antwortete: „Ist interessant!“ Dann wurden mir Termine für das erste Treffen mit Shueisha mitgeteilt und ich wurde zum Regisseur.
Was war Ihr erster Eindruck, den Sie beim Lesen von The Promised Neverland hatten?
KS: Das erste Kapitel war eindrucksvoll. Ich denke, dass es dieses sorgfältig entwickelte erste Kapitel war, das so viele Leser in den Bann gezogen hat. Ich wollte diesen Schock im Anime genauso herüberbringen. Deshalb habe ich bei der Promotion darauf geachtet, dass diejenigen, die den Manga noch nicht kennen und durch den Anime zum ersten Mal mit dem Titel in Berührung kommen, einen genauso großen oder sogar noch größeren Schock bekommen.
MK: Ich hatte beim Lesen schon geahnt, dass eine Anime-Adaption geplant ist, und von daher nicht die gleiche unvoreingenommene Freude beim Lesen wie ein normaler Leser. Und trotzdem war ich sehr neugierig, wie es weitergeht und wer der Verräter ist, wie sie es über die Mauer schaffen und so weiter.
Wodurch erklärt sich für Sie die große Popularität dieser Geschichte?
MK: Gute Frage. Sicherlich sind viele Menschen mit der Situation, in der sie sich selbst befinden, unzufrieden oder skeptisch. Besonders, wenn man an der Gesellschaft zweifelt, braucht man viel Mut, um seine Meinung laut zu sagen und aktiv zu werden. Selbst wenn man Zustimmung für die eigene Meinung findet, bedeutet dies leider oftmals nicht gleichzeitig, dass man auch Unterstützung findet. Aber Emma und die anderen schaffen es dennoch, sich durchzuschlagen. Sie schaffen etwas, was der Leser für sich selbst nur schwer zu realisieren vermag. Das könnte also der Grund für den Reiz der Geschichte sein: Dass der Leser gerne so handeln und die Sachen in die Hand nehmen würde wie die Charaktere.
KS: In Japan ist The Promised Neverland besonders bei jüngeren Lesern beliebt. Der Titel ist für viele junge Leser die erste Berührung mit dem Genre „Thriller“ und ich denke, dass dies viele von ihnen beeindruckt.
Herr Suzuki, hätten Sie mit einem derart großen Erfolg der Anime-Serie gerechnet und erfüllt es Sie als Produzent auch ein wenig mit Stolz, wenn eines Ihrer Projekte einen so großen Zuspruch bekommt?
KS: Natürlich wünsche ich mir während der Planungsarbeiten, dass der Titel ein Erfolg wird. Von der Eigenschaft des Titels her ist es auch ein Werk, das im Ausland durchaus Anklang finden könnte, daher hatte ich hohe Erwartungen. Allerdings übertraf der tatsächliche Erfolg meine kühnsten Hoffnungen. Meinem Eindruck nach wird dieser Titel bei den ausländischen Fans sogar noch mehr akzeptiert als in Japan. Solch eine Situation hatte ich bei meinen bisher produzierten Werken noch nie erlebt, daher habe ich mich sehr gefreut und es hat mich auch stolz gemacht. Ich wurde auf viele Events im Ausland eingeladen und konnte so die Anfeuerungsrufe der ausländischen Fans direkt hören, was für mich Motivation war, eine zweite Staffel zu produzieren.
Herr Kanbe, zu Ihren zahlreichen Arbeiten als Regisseur gehört unter anderem auch die Mysterythriller-Serie The Perfect Insider, die im Gegensatz zu The Promised Neverland nicht auf einem Manga, sondern auf einer Light-Novel-Vorlage basiert. Worin unterscheidet sich für Sie als Anime-Regisseur die Adaption einer Light Novel von der eines Mangas und was fällt Ihnen grundsätzlich einfacher?
MK: Wenn es darum geht, was mir einfacher fällt, dann ist es die Umsetzung von Novels. Natürlich „liest“ man Mangas, genauso wie Novels, aber bei Mangas gibt es konkrete Bilder. Meist wird man davon beeinflusst und kommt davon nicht weg. Andererseits sind diese konkreten grafischen Darstellungen auch oftmals sehr hilfreich. Bei Novels gibt es diese Bilder nicht. Dadurch ist man frei, was die bildliche Umsetzung angeht. Je nach World-Setting kann man auch verschiedene bestimmte Atmosphären für einen Titel erschaffen. Das bringt manchmal unerwartete Ergebnisse hervor – und das ist ein interessanter Punkt.
Inwieweit waren Kaiu Shirai und die Zeichnerin Posura Demizu in die Produktion der Anime-Serie involviert?
KS: Beide waren sehr beschäftigt, weil sie an Serien arbeiten, die wöchentlich veröffentlicht werden. Daher war es schwierig, während der Produktion Meetings mit ihnen zu vereinbaren. Sie haben aber bei den jeweiligen Produktionsschritten wie Konzeptausarbeitung, Series Composition, Drehbuchentwürfen, Charakterdesign, Art Setting und Casting jedes Mal das Material sorgfältig gecheckt, wodurch die Arbeit gut voranging. Unser Ziel war es ja, den Titel bestmöglich ins Anime-Format zu übertragen, also haben wir ihnen bei allem, was wir anders als im Manga darstellen wollten, unsere Änderungen begründet dargelegt, was sie dann verstanden und bewilligt haben.
MK: Wir haben zudem über Sugita-san von Shueisha (Anm. d. Red.: Redakteur Takushi Sugita, der den Manga The Promised Neverland von Beginn an betreut) einige Anmerkungen von Shirai-san bekommen, zum Beispiel den Hinweis: „Emma ist keine Prinzessin, die auf den Prinz auf einem weißen Pferd wartet, sondern der Prinz, der das weiße Pferd kontrolliert. Daher wird Emma (Bild links) in der Hauptstory auch nicht wie eine typische weibliche Anime-Figur dargestellt. Auch vom Zeichnerischen her wurde darauf geachtet, dass sie nicht zu mädchenhaft wirkt.
Herr Kanbe, wie sah die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und dem Drehbuchautor Toshiya Ono konkret aus?
MK: Als Allererstes habe ich mit Ono-san ein Gespräch geführt, in dem es darum ging, was durch diese Story hindurch sichtbar wird. Ich habe ihm zudem mitgeteilt, dass ich in der Anime-Version keine Monologe haben möchte. Daraufhin hat Ono-san eine Struktur entwickelt, in der es um die Gesamtaufteilung und den Inhalt ging, danach hat er die tatsächlichen Drehbücher geschrieben. Dadurch, dass wir die Monologe des Originalwerks ausließen, weiß man nicht, was Isabella denkt, wodurch der Charakter noch mysteriöser und stärker wirkt. Es war jedoch schwierig zu entscheiden, was wir mit den Monologen von Krone machen. Drehbuchautor Toshiya Ono und ich kamen zu dem Schluss, dass es einfacher wäre, wenn der Zuschauer erfährt, was sie denkt, weil man sie dann als eine ungeschickte Person wahrnimmt. Ono-san schlug vor, ein Stofftier ins Spiel zu bringen, ähnlich wie Connys Little Bunny, mit dem Krone spricht. Diese Idee fand ich gut, und so setzten wir sie um. Ich habe Ono-san gebeten, die Story grundsätzlich aus der subjektiven Sicht von Emma zu schreiben. Dadurch hat der Anime zum Teil andere Emotionsverläufe als die Manga-Vorlage. Schwierig war das Ende jeder Folge: Wie können wir sie so enden lassen, dass die Zuschauer neugierig auf die nächste sind? Ein schwieriger Punkt, der aber zugleich auch den Reiz einer TV-Serie ausmacht.
The Promised Neverland nutzt viele klassische Horror-Stilmittel, die in eine Kombination aus 2-D- und 3-D-Animationen eingebettet wurden. Wie haben Sie diese umgesetzt?
MK: Als ich mir überlegte, wie das Werk aussehen sollte, kam mir die Idee, dass die Darstellung, als würde man ständig von jemandem beobachtet werden, eine unruhige, angespannte Stimmung erzeugen könnte. Daher gibt es in der Serie viele Cuts in dieser Art. Beim Storyboarding wird zunächst entschieden, ob ein solcher Cut hineingebracht werden soll. Basierend auf dem Storyboard erstellt der CG-Staff die Kameraführung mithilfe einer Charakter-Puppe. Das schaue ich mir an, nehme Korrekturen vor oder verbessere die Komposition. So entsteht eine simple Videosequenz, auf deren Basis die Zeichnungen angefertigt werden. Der CG-Staff arbeitet an der Kameraführung dann mit richtigen CG-Modellen. Später werden die CGs und Zeichnungen zusammengefügt. Bei Schnitten, in denen man die Füße sieht, kommt es vor, dass etwas verschoben ist, deshalb ist das am anstrengendsten. Aber diese Dinge werden überhaupt erst möglich dadurch, dass man 3-D-Animationstechniken nutzen kann.
Im Hinblick auf die Übertragung der Story vom Schwarzweißmedium Manga in farbige Animationen fällt der kreative Einsatz diverser Farbpaletten ins Auge. Wie wurde das Farbkonzept entwickelt? Und welche Rolle spielte die Color Designerin Kazuko Nakashima?
MK: Was das Farbkonzept betrifft hatte ich von Anfang an vor, es so zu machen, wie es geworden ist. Innerhalb des Grace Field Houses gibt es die hölzernen Pfeiler, den Boden, die Decke und die weiße Wand, wenn man nach draußen geht, sieht man nur Grün und den blauen Himmel. Die Kleidung von Emma und den anderen ist auch weiß. Daher gibt es nicht so viele Farbtöne, und vom Ort her ist es ebenfalls sehr eingeschränkt, daher dachte ich, dass es bildlich nur wenige Veränderungen geben würde. Das ist an sich auch irgendwo interessant, aber ich wollte Veränderungen hineinbringen, ohne zusätzliche farbige Elemente hinzuzufügen. Meine Lösung dafür war, die Bildfläche selbst eher stärker einzufärben. Das Tageslicht ist die Basisfarbe, und je nachdem, ob es ein sonniger oder regnerischer Tag ist oder Morgen, Mittag, Abend oder Nacht oder um welche Uhrzeit es sich handelt, habe ich die Farbtöne immer etwas verändert. Innerhalb des Hauses bei Nacht ist es ein roter Farbton und draußen bei Nacht ein blauer. Bei Cutaways (aufeinanderfolgende Schnitte an verschiedenen Orten, die zur gleichen Zeit passieren) ändert sich somit die Farbe der gesamten Bildfläche, was ich wirkungsvoll fand. Ich habe meine Absichten Nakashima-san mitgeteilt und sie hat daraufhin die Settings so entworfen, dass das Bild weder mit dem Hintergrund untergeht noch sich zu sehr davon abhebt. Wir überprüften dies, indem wir die Charaktere und Hintergründe zusammensetzten und es uns anschauten. Es schien ihr Spaß zu machen, weil es eine Technik ist, die man nicht oft anwendet.
Auch die Soundkulisse und Musik spielen eine wichtige Rolle bei der Spannungserzeugung: Können Sie uns ein, zwei Beispiele an klanglichen Komponenten nennen, die die bedrohliche Atmosphäre unterstreichen?
MK: Ein konkretes Beispiel findet sich schon in der ersten Episode, und zwar die Szene am Tor beim Eintreten. Hier habe ich bewusst auf Musik verzichtet, denn es sollte ruhig bleiben, bis die Leiche von Conny gefunden wird. Dafür wurde ein Echoeffekt auf Geräusche wie Wassertropfen, Stimmen und Schritte gelegt. Und dann noch die Geräusche der Pendel der Uhren im Speiseraum und in den jeweiligen Zimmern. Grace Field ist ein ruhiger Ort im Wald, daher war es schwierig, weil es nicht viele Sounds gab, die man hinzufügen konnte. Die Schrittgeräusche von Emma und den anderen wurden real erstellt, indem der Staff die eigenen Schrittgeräusche beim Gehen und Rennen aufgezeichnet hat, auch, wenn das nicht unbedingt mit der Erzeugung der bedrohlichen Atmosphäre zu tun hat. Für die Schrittgeräusche der kleineren Kinder hat man Schuhe mit den Händen „angezogen“ und aufgenommen, um das leichtere Gewicht darzustellen.
Können Sie uns eine Übersicht über die einzelnen Aufgaben geben, die bei der Produktion von The Promised Neverland in Ihren Verantwortungsbereich als Regisseur fielen?
MK: Schwer zu erklären, aber wenn man es einfach sagt, dann muss ich als Regisseur alles machen, vom Erstellen der Drehbücher bis zur Fertigstellung. Also alles, aber das heißt nicht, dass ich die einzelnen Cuts zeichne oder die Bearbeitung des Materials an sich mache. Ich denke, man kann es vergleichen mit der Arbeit des Regisseurs für Live-Action-Filme. Was ich dafür mache … schwierig zu beantworten, aber ich achte stets darauf, dass das Ziel darauf ausgerichtet ist, guten Content zu schaffen.
KS: Eine Aufgabe des Produzenten ist es meiner Ansicht nach, alles schön zu koordinieren, damit die jeweiligen Beteiligten gut arbeiten können. Dabei spielt natürlich die Vermittlerfunktion zwischen Originalautor und Produktionsteam eine große Rolle. Man kann sogar sagen, dass bei gelungenen Titeln dieser Part gut gelaufen sein muss. Die Arbeit des Produzenten ist sehr breit gefächert. Eine Aufgabe besteht darin, wie eben beschrieben, die Beziehungen der jeweiligen Beteiligten zu verbinden. Dann gibt es natürlich die einzelnen Teile der Produktion, also zum einen das Überprüfen der Drehbuchentwicklung und Storyboards, der Synchronisation und des Dubbings (Anm. d. Redaktion: Mit „Dubbing“ ist hier nicht das Synchronisieren gemeint, sondern das Kopieren von Filmmaterial) sowie das finale Checken des Filmmaterials und vieles mehr. Zum anderen gehören zu meiner Tätigkeit aber auch die geschäftlichen Dinge in Bezug auf Planning und Promotion.
Und was war von all diesen zahlreichen Aufgaben als Produzent die größte Herausforderung für Sie, Herr Suzuki? Gibt es eine bestimmte Situation während der Produktions- und Promotionphase, die Sie als besonders schwierig oder kompliziert erlebt haben?
KS: Die größte Herausforderung, die spezifisch für diesen Titel war, war wohl die Promotion vor der TV-Ausstrahlung und dem Streaming-Start. Wie bereits in den vorherigen Antworten erwähnt, gibt es in der ersten Episode eine schockierende Wende, daher haben wir uns den Kopf zerbrochen, bis wohin wir vorab verraten sollen. Es gab Momente, wo ich mir dachte: „Naja, in Japan selbst ist der Titel bereits ein großer Hit, daher brauchen wir daraus ja kein großes Geheimnis zu machen.“ Aber dann fiel mir wieder der Schock ein, den ich beim Lesen des ersten Kapitels erlebt habe und habe mir überlegt, dass man bei diesem Titel sehr sorgsam vorgehen sollte, damit die Leute, die durch den Anime zum ersten Mal von der Story erfahren, denselben Schock erleben können. Daher haben wir bei der Vorab-Promotion kein Wort darüber verloren, dass die Menschen von den Dämonen gefangen gehalten werden. In den Trailern und auf den Visuals sind auch keine Dämonen zu sehen. Es war eine Herausforderung für uns, trotz dieser Vorgehensweise eine bedrohliche Atmosphäre und den Thriller-Effekt zu schaffen, um den Titel interessant aussehen zu lassen. Ich denke, wir haben es ganz gut hinbekommen: Für diejenigen, die die Story kennen, war der Hintergrund klar, für die, die den Titel noch nicht kannten, wirkte es irgendwie interessant, obwohl sie nicht genau wussten, wovon es handelt.
Eine Produktion wie The Promised Neverland ist sicherlich sehr kräftezehrend. Wie erholen Sie sich von den Strapazen Ihrer Arbeit?
KS: Egal, welchen Entertainment-Content ich auch konsumiere, bringe ich ihn immer mit meiner Arbeit in Verbindung. Daher empfinde ich es nicht als Abwechslung. Von diesem Bewusstsein komme ich aber weg, wenn ich zum Beispiel Sport treibe oder shoppen gehe, da ich Klamotten mag.
MK: Bei der Arbeit mache ich mir oft Gedanken darüber, was ich nach Abschluss der Arbeit gerne machen würde. Ich schaue mir auch oft Landkarten und Stadtpläne an und fantasiere, wo ich gerne mal hinfahren würde oder wie es wohl an einem bestimmten Ort aussieht. Wenn die Arbeit dann aber tatsächlich fertig ist und ich Zeit habe, träume ich eher vor mich hin. Ich bin wohl eher der Stereotyp-Japaner, der schlecht darin ist, sich „frei“ zu nehmen. (lacht)
Im Mittelpunkt von The Promised Neverland steht das Hauptfigurentrio Emma, Norman und Ray, doch im Grace Field House leben noch 35 weitere Kinder, von denen einige ebenfalls eine wichtige Rolle in der Geschichte spielen. Welche dieser Kinder sind nach den drei Protagonisten Ihrer Meinung nach die handlungsrelevantesten der Serie und wieso?
MK: Ich denke, Don und Gilda (Bild links). Sie sind neben Emma und den anderen Hauptcharakteren die Ältesten, aber erreichen dennoch nicht die volle Punktzahl. Auch, als sie die Wahrheit über das Grace Field House erfahren, können sie es nicht sofort glauben und sie handeln auch teilweise gegen Emma. Don und Gilda sind in meinen Augen wie wir: Durchschnittsmenschen. Als Norman verschwunden ist und Emma durch einen Knochenbruch sich nicht bewegen konnte und Ray durch einen Schock nichts unternehmen konnte, gingen Don und Gilda Emmas Befehl nach und haben ein Seil besorgt, um das Fliehen zu trainieren. Emma und Ray wurden zu Angsthasen, um Isabella abzulenken, aber dieser Plan ging nur auf, weil Don und Gilda im Hintergrund aktiv waren. Sie sind nur Durchschnittsmenschen, daher treten sie nicht in den Vordergrund, aber bei diesem Fluchtteil waren sie die wichtigen Figuren.
KS: Ich denke auch Don und Gilda. Gilda ist mein Lieblingscharakter. Sie interessiert sich für Mode. Ich denke, unsere Hobbys passen gut zusammen. Mein zweiter Lieblingscharakter ist Anna (Bild rechts) – einfach, weil sie niedlich ist. Auf der AnimagiC 2019 war beim Panel von The Promised Neverland ein Fan im Anna-Cosplay anwesend. Das hat ihr sehr gut gestanden, weswegen es einen Eindruck bei mir hinterlassen hat. Aber auch die anderen Kinder finde ich alle wunderbar, da sie alle ihre eigenen Rollen haben, die jeweils ausführt werden. Phil bewundere ich sehr: Es ist nicht einfach zu sagen „lasst mich hier“, obwohl man die Situation begreift.
Das Stichwort AnimagiC greifen wir gerade mal auf: Auf der AnimagiC 2019 haben Sie beide The Promised Neverland gemeinsam vorgestellt. Welche Eindrücke haben Sie von unserer Convention im Speziellen und von Deutschland im Allgemeinen mitgenommen?
KS: Danke für die Einladung zu solch einem wunderbaren Event. Das war mein erster Besuch in Deutschland. Es hat mich sehr gefreut, dass ich bei den Panels und Signierstunden direkt mit den deutschen Fans kommunizieren konnte. Ich habe auch gespürt, dass die Fans den Titel wirklich mögen. Das hat mich sehr für meine künftige Arbeit als Produzent motiviert. Falls die Gelegenheit besteht, würde ich gerne wieder nach Deutschland kommen. Die Stadt Heidelberg und das dortige Schloss, das wir am Sightseeing-Tag besichtigt haben, waren auch sehr eindrucksvoll. Die Form ist ja komplett anders als bei japanischen Schlössern. Ich befand mich selbst in einer Landschaft, die ich bisher nur in Animes und Games gesehen hatte. Dieses Erlebnis hat Spaß gemacht. Ich mochte auch den Geschmack der deutschen Küche. Alle Gerichte, die ich probiert habe, waren lecker. Kaya-san, unserer Übersetzerin, haben wir auch viel zu verdanken. Die Leute waren alle sehr freundlich, worüber wir uns gefreut haben.
MK: Anders als auf einem Event in Amerika waren diesmal weniger Leute beim Panel und das Q&A stand im Mittelpunkt. Ich habe mich gefreut, dass ich dadurch die Möglichkeit hatte, mit den deutschen Fans direkt zu kommunizieren. Ich war überrascht, dass viele Fans so leidenschaftlich sind. Deutschland habe ich seit jeher bewundert und das Land fasziniert mich aus irgendeinem Grund. Ich weiß nicht warum, aber die Landschaft auf der Busfahrt vom Flughafen nach Mannheim kam mir nostalgisch vor. Die historischen Stadtansichten finde ich interessant, da sie Spuren aus dem Mittelalter enthalten. Besonders Heidelberg entsprach genau meinem Image von Deutschland, und ich mochte es dort sehr. Ich würde gerne auch weitere Orte besuchen. Früher hat mir einmal jemand gesagt: „Um im Ausland akzeptiert zu werden, muss man den Content an das Ausland gerichtet produzieren“. Aber The Promised Neverland wurde nicht extra für das Ausland produziert, sondern hat in unerwarteter Weise viel Anklang dort gefunden, worüber ich sehr überrascht bin. Gleichzeitig freut es mich sehr.
Die erste Staffel von The Promised Neverland deckt in etwa die ersten fünf der bislang 16 Manga-Bände ab, doch für 2020 haben Sie bereits eine zweite Season angekündigt. Was können Sie uns aktuell darüber verraten?
KS: Wir sind eifrig an der Produktion dran. Wenn die Zeit gekommen ist, werden wir sicherlich auch wieder etwas ankündigen können. Bitte seid geduldig und weiterhin gespannt. Wie bei der ersten Staffel werden wir nicht einfach nur die Manga-Vorlage in einen Anime umwandeln. Ich denke, dass an Darstellungen und Szenen, die nur als Anime funktionieren, in der zweiten Staffel noch mehr auftauchen werden als in der ersten.
Haben Sie noch eine Botschaft an die deutschen Fans von The Promised Neverland?
KS: Vielen lieben Dank, dass ihr The Promised Neverland mögt. Wir arbeiten weiter hart an der Produktion, damit wir euch die Fortsetzung im Jahr 2020 zeigen können. Ich würde mich freuen, wenn diese den Fans gefällt. Bitte feuert The Promised Neverland weiterhin an!
MK: Auch von mir vielen Dank an die deutschen The Promised Neverland-Fans. Wir sehen uns bei der zweiten Staffel wieder! Bitte seid gespannt darauf!
Herr Kanbe, Herr Suzuki, noch einmal vielen herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben!
Manga © 2016 by Kaiu Shirai, Posuka Demizu/SHUEISHA Inc.
Anime © KAIU SHIRAI,POSUKA DEMIZU/SHUEISHA,THE PROMISED NEVERLAND COMMITTEE
Foto AnimagiC © AnimaniA-Magazin / C. Gerlach