Slam Dunk: Interview mit Germann Bergmann & Martin Gericke

Parallel zum hiesigen Kinostart des Basketball-Movies THE FIRST SLAM DUNK am 5. Dezember via KSM Anime spendiert Hayabusa der Manga-Vorlage ab dem 28. November ein hiesiges Re-Release: Takehiko Inoues Slam Dunk ist ein absoluter Sport-Manga-Klassiker und war bereits Anfang der 2000er als (unvollständige) deutsche Ausgabe bei Planet Manga erschienen. Im Interview verrieten uns Hayabusa-Redakteur Germann Bergmann und Übersetzer Martin Gericke alles über die Neuveröffentlichung – und warum das Marketing eine echte Challenge ist!

Germann Bergmann © privat

Germann, wie kam es zu der Entscheidung, Slam Dunk 20 Jahre nach dem Planet-Manga-Release noch einmal eine Chance zu geben?
Germann Bergmann (GB):
Moin zusammen! Es klingt zwar so abgedroschen, aber manchmal ist es tatsächlich nur eine Frage der Zeit. Der Markt hat sich in den letzten Jahren stark verändert und viele neue Menschen in die Manga-Welt gespült. Die Konkurrenz wächst stetig und belebt den Markt, das Genre-Angebot ist vielfältiger denn je und es werden Titel lizenziert, die Verlage noch vor wenigen Jahren nicht mal mit der Kneifzange angefasst hätten. Slam Dunk gehört zu den weltweit erfolgreichsten und meistverkauften Manga-Serien aller Zeiten – und hat bis jetzt kein vollständiges deutsches Release bekommen? Skandal! Die tapfere Manga-Community ist in den letzten Jahren nie müde geworden, diese Serie immer wieder einzufordern, und natürlich haben wir auch mit großem Interesse den Kinostart von THE FIRST SLAM DUNK Ende 2022 in Japan verfolgt. Das war dann auch der letzte Funke, den wir brauchten, um uns für diese Lizenz zu bewerben. Kurzum: Die Bedingungen, um Slam Dunk nun endlich komplett in Deutschland zu veröffentlichen, waren nie besser.

SLAM DUNK SHINSOSAIHENBAN © 1990-2023 by Takehiko Inoue and I.T.Planning, Inc. / SHUEISHA Inc.

Die Themen-Schwerpunkte von Hayabusa liegen ja eigentlich nicht auf Sport-Titeln …
GB:
Augenzwinkernd könnten wir genauso gut fragen, wer sich denn bitte besser mit schwitzenden Kerlen in kurzen Hosen und hartem Körperkontakt auskennen sollte als Hayabusa? We love Balls! Während der Lizenzverhandlungen ging es uns in erster Linie darum, den Titel für Carlsen zu holen. Unter welchem Label der Titel dann starten sollte, stand anfangs noch gar nicht fest. Hayabusa ist ein sehr junges Label, wir sind im dritten Jahr und stellen nun unser siebtes Programm vor. Wir sind immer noch in der Entwicklung und transformieren uns stetig, so hätte vor zwei Jahren auch niemand vermutet, dass Titel wie MPD Psycho oder Alice in Borderland mal unter dem Dach des Falken landen. Insofern hat es auch eine strategische Komponente, denn wir wollen uns ja nicht ausruhen und stehen immer noch am Beginn unserer Reise. Es gab aber auch ganz praktische Gründe, wie beispielsweise freie Programmplätze oder andere Kapazitäten. Liebevoller formuliert, könnte man auch sagen: Der ältere Carlsen-Manga-Bruder hat seiner jüngeren Hayabusa-Schwester den Vortritt gelassen … Awww! Und ganz vielleicht war es eine Prophezeiung, die Takehiko Inoue vor dreißig Jahren selbst in seine Geschichte geschrieben hat und die sich nun erfüllt. Denn im vierten Kapitel des ersten Bandes tritt Sakuragi in einem 1-vs-1-Duell gegen den Mannschaftskapitän Akagi an: Sakuragis Siegchancen sind wahrlich überschaubar und er redet sich ein, dass er dieses Match nur gewinnen kann, wenn er zu einem Falken wird! “»Ein Falke auf Beutefang!« Nun ja, willkommen im Klub, Sakuragi!

Wer sollte sich denn bitte besser mit schwitzenden Kerlen in kurzen Hosen und hartem Körperkontakt auskennen als Hayabusa? We love Balls!

Hayabusa-Redakteur Germann Bergmann
Germann Bermann mit Slam Dunk-Produktionsmanagerin Lena Voigt © Carlsen Verlag GmbH

Ursprünglich war der hiesige Hayabusa-Release-Start des Slam Dunk-Mangas für Frühjahr 2024 angesetzt – im Zuge der deutschen Kinopremiere des Movies THE FIRST SLAM DUNK via KSM Anime am 5. Dezember habt ihr ihn jedoch vorverlegt auf den 28. November, also die Woche davor …
GB:
Ja, und damit haben wir uns nicht gerade einen Gefallen getan, aber in unserer Euphorie über die Zusage der Slam Dunk-Lizenz hielten wir alles für möglich und plötzlich ploppte die wahnwitzige Idee auf, ob es nicht machbar wäre, den ersten Band vor dem Kinostart zu veröffentlichen – und nicht erst ein halbes Jahr später. Dass der bestmögliche Zeitpunkt für eine Veröffentlichung vor dem Filmstart liegt, ist sowohl aus Verlagssicht als auch aus Sicht der Fans unbestritten. Nach der Vertragsunterzeichnung hatten wir den ersten Band zwei Monate später druckfertig. Eine absolute Wahnsinnsleistung, die allen Beteiligten viel abverlangt hat. Allen voran Martin, denn in seiner Rolle als Übersetzer ist er das erste Glied in der Produktionskette. Martin hat das Tempo vorgegeben und sich selbst übertroffen. Aber auch unsere Letterer und unser Produktionsmanagement haben mit falkenhafter Geschwindigkeit dafür gesorgt, dass dieser vorgezogene Release überhaupt möglich wurde – und das natürlich, ohne Abstriche an der Qualität zu machen.

SLAM DUNK SHINSOSAIHENBAN © 1990-2023 by Takehiko Inoue and I.T.Planning, Inc. / SHUEISHA Inc.
Martin Gericke © privat

Martin, du bist für die Übersetzung von Slam Dunk ins Deutsche zuständig. Kannst du uns einen kurzen Einblick in deine Arbeit geben?
Martin Gericke (MG):
Die Übersetzung von Slam Dunk ist definitiv eine unglaublich große Herausforderung, die aber auch mit viel Liebe und Leidenschaft einhergeht. Für mich persönlich geht ein kleiner großer Traum in Erfüllung, wofür ich unglaublich dankbar bin. Da wir vom Lizenzgeber die Shinso-Saihenban-Edition bekommen haben, ist die Übersetzungsarbeit sehr zeitintensiv und durch die sportlichen Ankündigungstermine eine besonders steile All-Star-Challenge. Die Vorgaben sind relativ eng gesteckt, das heißt, wir halten uns nah am japanischen Original und achten besonders darauf, die Nuancen wie die Comedy-Elemente so gut wie möglich herüberzubringen. Mir persönlich ist es immer wichtig, dass Figuren sprechen, wie Menschen eben sprechen, aber mit einem Knaller-Protagonisten wie Sakuragi macht es besonders viel Spaß, in die Tonalität des Werks und den Sprachfluss der einzelnen Charaktere einzutauchen. Da ist man am Ende selbst schon Teil der Shohoku-Basketball-Mannschaft! Und dann spielt Slam Dunk auch zu einer recht klar skizzierten Zeit – eben den 1990ern, und das Erzählkolorit, aber auch das Setting, die Figuren und besonders die Zeichnungen und das etwas Überspitzte in den Darstellungen versprühen in jedem Panel und auf jeder Seite diesen hammergeilen 1990er-Jahre-Manga-Charme und verbinden dadurch das Werk irgendwo auch mit dem eigenen Leben, was ich besonders schön finde. Die 1990er boomen momentan ja ohnehin wieder, wir kriegen etliche Klassiker endlich vor die Nase geknallt und genau so soll es sein! Da ist die Motivation ungemein groß, diesen Zeitgeist auch einzufangen und dem Manga in jeder Hinsicht gerecht zu werden. Sprich, freie Hand gibt es in dem Maße nicht, da wir uns bei Slam Dunk voll und ganz auf das Werk stürzen und die Wucht des Originals auch mitnehmen möchten, um eine schöne und vor allem dem Werk angemessene Übertragung hinzubekommen. Am Ende wollen wir doch alle sehen, wie der Spalding durch den Ring gepfeffert wird, oder?

Die Übersetzung von Slam Dunk ist definitiv eine unglaublich große Herausforderung, die aber auch mit viel Liebe und Leidenschaft einhergeht.

Slam-Dunk-Übersetzer Martin Gericke

Da der Manga nun quasi parallel zum Film erscheint: Gibt es auch Pläne für konkrete Crossmarketing-Aktionen mit KSM Anime, um das Thema Slam Dunk bestmöglich zu pushen?
GB:
Wir stehen in engem Kontakt mit KSM Anime und tauschen uns regelmäßig in einer Selbsthilfegruppe für traumatisierte Lizenznehmer aus. (lacht) Aber ernsthaft, hier hat der Lizenzgeber hohe Hürden geschaffen, die wenig Handlungsspielraum zulassen, weswegen wir noch nichts Konkretes beisteuern können. Vielleicht nehmen wir uns doch noch gegenseitig Huckepack und erfinden das Guerilla-Marketing neu! Also wir hätten Bock!

© Carlsen Verlag GmbH

Wie gestaltet sich für euch generell das Marketing für Slam Dunk? Der Lizenzgeber ist ja recht restriktiv bezüglich der Verwendung von Bildmaterial …
GB:
Wenn wir aufzählen wollten, was wir alles nicht dürfen, würde die Antwort abendfüllend ausfallen, denn wir haben de facto kaum Möglichkeiten, den Titel zu bewerben. Es gibt einen sehr strengen Gestaltungskorridor, der uns nicht nur untersagt, Slam Dunk mit Inhaltsseiten zu bewerben, sondern der uns auch Format, Ausstattung und alles andere vorgibt. Wir dürfen Slam Dunk auch nicht als Cover für die Manga Preview, unser auflagenstärkstes Werbemittel, verwenden. Das ist schon sehr ungewöhnlich. Vor einiger Zeit hat der geschätzte Kollege Marco von Egmont Manga Ähnliches zu dieser Thematik getweetet und seiner Enttäuschung über die einschränkenden Vorgaben diverser Lizenzgeber Ausdruck verschafft. Seinen Frust können wir sehr gut nachvollziehen.Wir brennen für unsere Projekte und für Hayabusa ist Slam Dunk sicherlich der dickste Fisch, den wir uns bisher gekrallt haben. Umso enttäuschender ist es, wenn dann sämtliche Ideen abgelehnt werden. Wir müssen jetzt tief in die Trickkiste greifen und Neues ausprobieren. Wir werden jedenfalls alles versuchen, Slam Dunk eine angemessene Bühne zu verschaffen. Einen zeitlich begrenzten Einführungspreis für den ersten Band konnten wir schon mal erkämpfen. Vielleicht fordert Hayabusa stattdessen die Kollegen von Panini zu einem Basketballspiel heraus – ich hab’ gehört der neue Programmleiter ist ein großer Slam Dunk-Fan. (lacht) Es bleibt aber weiterhin spannend, denn wie genau eine Serie beworben werden kann, die nicht beworben werden darf, ist das Rätsel, das es zu knacken gilt.

© Carlsen Verlag GmbH

Könnt ihr uns zum Abschluss verraten, was ihr persönlich mit Slam Dunk verbindet, und in euren eigenen Worten sagen, was diesen Titel so besonders macht, dass man ihn auf keinen Fall verpassen sollten?
MG:
Persönlich verbindet mich mit Slam Dunk allen voran der Basketball. Ich habe selbst in meiner Jugend sehr viel Basketball gespielt, anfangs noch in der Halle, aber später dann mehr und mehr auch draußen auf dem Freiplatz, nachdem auch die ersten Streetball-Videos die Runde machten und Baller aus Großbritannien oder etwas später dann auch AND1 in Amerika nicht nur den Hip-Hop, sondern auch die Basketballkultur mitprägten. Das waren ganze Sommer und Winter bei Regen, Sturm und Sonnenschein, die ich in der Zone und unter dem Korb verbracht habe. Von der NBA und den Helden unserer Jugend ganz zu schweigen. Also wer weiß, dass Shaq O‘Neal auch mal Hip-Hop-Alben rausgebracht hat, und die Lakers wie die Chicago Bulls gefeiert hat, der weiß Bescheid! Slam Dunk war und ist in dieser Hinsicht immer schon DER Anime und DER Manga schlechthin für mich, den ich schon zu Schulzeiten gefeiert habe und der meine Liebe zum Basketball nur noch verstärkt hat. Und der zweite Punkt ist der fantastische Künstler Inoue-sensei, von dem ich tatsächlich zuallererst Vagabond in Händen hielt und absolut geflasht war von der Detailversessenheit und dem Samurai-Setting, da ich damals auch gerade das Hagakure gelesen hatte. Slam Dunk steht dem in nichts nach und fesselt noch heute mit einer unglaublichen Story eines rothaarigen Draufgängers, der erstmal überhaupt keinen Bock auf diesen Sport hat, aber umso mehr Bock auf die Mädchen – und siehe da, was tut ein Haudegen nicht alles für die Liebe, nicht wahr? Deswegen ist Slam Dunk schon wirklich etwas Besonderes. Bei mir im Regal steht neben der normalen Ausgabe aus Japan auch die Kanzenban-Edition, mit den kolorierten Seiten, und das ist ein einziger Genuss. Natürlich irgendwo auch schade, dass Lizenzgeber oft sehr strikt an einem Entschluss festhalten, und nicht etwas breitgefächerter überlegen, wie solche Ausnahmetitel im Ausland am besten angenommen und vor allem vermarktet werden könnten, denn so ein paar Farbseiten und ein größeres Format hätte ich mir ganz persönlich schon auch gewünscht. Aber ja, in Slam Dunk steckt noch so viel mehr, allein der Teamgeist, die Figurenentwicklung, das bahnbrechende Finale, der Humor, dieser aberwitzige, wunderbare 1990er-Jahre-Humor, der vor allem im Anime ja noch mal superkrass zum Tragen kommt – also ich könnte stundenlang aufzählen, was Slam Dunk so besonders macht. Gönnt euch den Titel! Lest ihn in einem Rutsch durch, dann rein in die Air Jordans, Shaq, Pac & Notorious B.I.G angeschmissen und dann ab auf den Platz für einen richtig geilen Slam Dunk!
GB: Da ich auch ein Hip-Hop-Kind der 1990er Jahre bin, decken sich viele von Martins persönlichen Verbindungen mit meinen eigenen. Ich hab auch die Chicago Bulls und die Los Angeles Lakers gefeiert. Ich liebte Bad Boys wie Dennis Rodman und Charles Barkley! Above the Rim und Meance II Society liefen neben Yo! MTV Raps in Dauerschleife. Und zwanzig Jahre später sitze ich während der Bearbeitung an Slam Dunk und aus den Boxen pumpt Hit ‘Em High (The Monstars’ Anthem)! In diesem Sinne: “Goin’ straight through the hole, you ain’t got no game. I’m breakin’ ya out the frame, coming through like a train!” Let`s go, Shohoku!

Germann, Martin, vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Lars Wilhelm. In der AnimaniA 1/2024, die ab dem 1. Dezember am Kiosk und als DVD-Ausgabe im Comic- und Fachhandel erhältlich ist, stellen wir euch den Manga vor und werfen zudem einen ausführlichen Blick auf den aktuellen Movie THE FIRST SLAM DUNK, inklusive Interviews mit Producer Toshiyuki Matsui und Musikproduzent Ryuta Koike.