Leseprobe AnimaniA 3/2020: Dororo

Beim Namen Osamu Tezuka denkt man automatisch an seinen kleinen Roboter mit Kulleraugen und Düsen-Füßen: Astro Boy! Dabei birgt das 40 Schaffensjahre umfassende Gesamtwerk des als „Gott des Manga“ verehrten Künstlers doch noch so viel mehr kostbare Schätze – etwa das düstere Fantasy-Epos Dororo, mit dem Tezuka-sensei Ende der 1960er Jahre den thematischen Vorläufer zu Supernatural-Samurai-Actionern à la Blade of the Immortal schuf. 50 Jahre nach der ersten Anime-Adaption bescherten die Studios MAPPA (u. a. Inuyashiki Last Hero) und Tezuka Production (u. a. The Quintessential Quintuplets) dem Genre-Klassiker Anfang 2019 ein TV-Remake mit modernisiertem Look: Die 24-teilige Neuauflage Dororo war bereits als OmU-Stream auf Prime Video verfügbar und wird seit dem 27. März von AniMoon Publishing auch inklusive deutscher Sprachfassung von Kölnsynchron (u. a. Overlord) auf vier DVD- und BD-Volumes veröffentlicht.

Japan in der Sengoku-Zeit (1477–1573): Das Land ist zerteilt in unzählige Territorien, deren Herrscher einen erbitterten Krieg gegeneinander führen. Die Auswirkungen sind gravierend, so auch im Fürstentum von Daigo Kagemitsu: Um sein Volk zu erlösen und sich selbst mehr Macht zu sichern, geht Daigo einen Pakt mit den zwölf Teufelsgöttern ein. Den Preis dafür zahlt nicht etwa er selbst, sondern sein erstgeborener Sohn, der ohne Arme, Beine, Gesicht und Organe zur Welt kommt! Zufrieden darüber, dass der Pakt akzeptiert wurde, entledigt sich Daigo des missgestalteten Nachkommen: Ausgesetzt auf einem Boot, treibt der Säugling einer ungewissen Zukunft entgegen …

16 Jahre später wird das Waisenkind Dororo, das sich mit kleinen Gaunereien durchs Leben schlägt, Zeuge, wie ein mysteriöser Wanderer mit Maske und Klingen statt Armen einen riesigen Dämon zur Strecke bringt. Noch erstaunlicher: Hinter der Maske des Fremden kommt ein gruseliges Antlitz aus Muskeln und Sehnen zum Vorschein, das im nächsten Moment von Haut überzogen und so zum Gesicht eines jungen Mannes wird! Bei dem Fremden handelt es sich um den verstoßenen Sohn Daigos, der damals von dem Arzt Jukai gerettet wurde. Jukai gab ihm den Namen Hyakkimaru und fertigte Prothesen für ihn an, und als sie erkannten, dass Hyakkimaru seine Körperteile zurückerobern kann, zog er los und ist seither auf der Jagd nach den Teufelsgöttern. Von alldem ahnt Dororo noch nichts, als das clevere Bürschchen beschließt, Hyakkimarus besonderen Talente gewinnbringend einzusetzen …

Grausam-faszinierende Welt

So beginnt für die beiden ungleichen Schicksalsgenossen eine ebenso aufregende wie gefahrvolle Reise durch eine grausam-faszinierende Welt: Das Japan von Dororo ist zum einen geprägt von den schonungslos dargestellten Gräueln einer kriegerischen Epoche, bei denen man sich als Zuschauer auf leichenübersäte Schlachtfelder und entsetzliche Praktiken wie die „Haritsuke“ genannten Kreuzigungen gefasst machen muss. Zum anderen ist die Welt von Dororo von den Mythen der japanischen Folklore durchwoben, denn übernatürliche Wesen spielen eine wichtige Rolle und treiben in Form von Geistern und Dämonen überall ihre perfiden Spiele mit den Menschen.

Die reizvolle Mischung aus historischen Fakten und Mythologie wurde audiovisuell hervorragend umgesetzt: Die malerischen Hintergründe erwecken mal den Eindruck klassischer Tuschezeichnungen, dann wieder scheint das Sonnenlicht im stimmungsvollen Komorebi-Stil aus aquarellartigen Baum- und Bambuswäldchen hervor. Der für Osamu Tezuka so typische kindlich-comichafte Look der Originalfiguren wurde von Letter Bee-Manga-ka Hiroyuki Asada in ein modernes, superschickes Charakterdesign überführt, und musikalisch setzt Yoshihiro Ike (u. a. B: The Beginning, s. Interview Ani 2/2019) auf die traditionellen Klänge von Koto, Shakuhachi und Shamisen. In der Story selbst kommt sogar eine Biwa genannte Kurzhalslaute vor, die der blinde Mönch Biwamaru, dem Dororo und Hyakkimaru immer wieder über den Weg laufen, auf dem Rücken trägt. (…)

Dies ist nur ein Auszug aus unserer Review zu The Promised Neverland, die wir euch exklusiv und in voller Länge in der AnimaniA 3/2020 präsentieren. Unsere aktuelle Ausgabe ist ab dem 3. April am Kiosk und als DVD-Ausgabe im Comic- und Fachhandel erhältlich ist. Beide Versionen der AnimaniA könnt ihr auch online unter animania.de/shop bestellen.

©Tezuka Productions/TWIN ENGINE Inc.