Mit der zwölfteiligen Anime-Serie Blood Blockade Battlefront erscheint hierzulande am 17. Oktober via KSM Anime das neue Sci-Fi-Action-Highlight aus der Qualitätsschmiede BONES als üppig ausgestattete Limited Edition im regulären Handel, nachdem sie zunächst exklusiv über den Onlineshop bbb-anime.de erhältlich war. Pünktlich zum Release des Superhelden-Krachers, der auf dem Manga Kekkai Sensen von TRIGUN-Schöpfer Yasuhiro Nightow basiert, präsentieren wir euch hier unser Interview mit Toshihiro Kawamoto: Der renommierte Charakterdesigner, der unter anderem für die Figuren der Anime-Klassiker Cowboy Bebop und Wolf’s Rain sowie zuletzt Space Dandy und Noragami verantwortlich zeichnete, gab uns im Rahmen seines diesjährigen AnimagiC-Besuchs ausführliche Einblicke in seine Arbeit an Blood Blockade Battlefront.
Hallo Herr Kawamoto. Es ist uns eine große Ehre, dass wir Sie nach 2004 erneut als Ehrengast auf der AnimagiC begrüßen dürfen. Gibt es etwas, das Ihnen von Ihrem ersten Besuch besonders in Erinnerung geblieben ist?
Toshihiro Kawamoto (TK): Zunächst möchte auch ich mich für die Einladung nach Deutschland bedanken, da ich dieses Land wirklich sehr mag. Vom letzten Mal ist mir vor allem der Veranstaltungsort in Erinnerung geblieben. Ich nehme an Events in verschiedenen Ländern teil, aber die Halle (Rhein-Mosel-Halle Koblenz, Anm. d. Red.) war im Vergleich zu anderen Veranstaltungsorten erstklassig. Diesmal habe ich mich darauf gefreut, die nahe gelegene Stadt Köln mit ihrem Dom zu sehen, der zum Weltkulturerbe zählt. Außerdem war ich nach zwölf Jahren erstmals wieder in Deutschland und gespannt darauf zu erfahren, wie sich die Interessen der hiesigen Anime-Fans verändert haben.
Auf der AnimagiC 2016 stellen Sie Ihre aktuelle Serie Blood Blockade Battlefront (BBB) vor. Wie kam dieses Projekt zustande?
TK: Ich selbst wurde 2013 eingeladen, mich als Charakterdesigner an der Serie BBB zu beteiligen. Zunächst hatte die Firma Toho das Studio BONES, zu dem ich gehöre, wegen einer Zusammenarbeit angesprochen. Unter den Titeln, die wir gemeinsam machen wollten, war auch BBB, an dem der Regisseur Rie Matsumoto großes Interesse bekundet hatte. Nachdem man die Details dazu geklärt hatte, kam das Projekt dann ins Laufen.
Hatten Sie von Yasuhiro Nightows Manga Kekkai Sensen bereits gehört oder ihn sogar schon gelesen, als Sie als Anime-Charakterdesigners von BBB verpflichtet wurden?
TK: Herr Nightow wird auch öfter auf Conventions eingeladen, so dass ich ihm vorher schon einmal bei einem solchen Event begegnet bin. Damals erhielt ich von ihm anstelle einer Visitenkarte den fünften und damals aktuellsten Band von Kekkai Sensen (s. Cover rechts), mit dem ich natürlich erst mal wenig anfangen konnte. Der fünfte Band an sich war zwar auch spannend – wie die Alltagssituationen verliefen und mit welchen Fällen sich die Charaktere auseinandersetzen mussten –, aber es fiel mir schwer nachzuvollziehen, wie die schon sehr spannende Welt aufgebaut war. Als ich die Serie später dann vom ersten Band an nachgelesen habe, fand ich die Geschichte umso interessanter. Das Setting ist klar vorgegeben und nachvollziehbar und die Bilder haben mich ebenfalls fasziniert. Meiner Meinung nach gelingt es nicht vielen Zeichnern, so ein absolut in sich stimmiges Weltbild zu erschaffen.
Sie sind ja bereits seit vielen Jahren als Charakterdesigner in der Anime-Branche tätig und haben in dieser Zeit viel Erfahrung mit der Anime-Adaption von Manga-Figuren sammeln können. Gibt es etwas ganz Allgemeines, was man als Charakterdesigner bei der Übertragung der Figuren einer Manga-Vorlage ins Anime-Format besonders beachten sollte?
TK: Das Wichtigste bei der Anime-Umsetzung eines Manga ist, dass viele Menschen an einem Anime arbeiten und alle die gleichen Figuren aus der gleichen Geschichte zeichnen. Jeder Zeichenstil unterscheidet sich, aber man muss darauf hinarbeiten, einen Stil beziehungsweise eine Vorlage für jeden Charakter zu entwickeln, die für jeden angenehm zu zeichnen ist und bei der keine zu großen Stilunterschiede entstehen.
Worin unterscheidet sich für Sie als Anime-Charakterdesigner die Arbeit an zwei verschiedenen Mangas wie Noragami und BBB?
TK: Zunächst einmal stellt jeder Regisseur andere Anforderungen. So zeichnete sich meine Arbeit bislang dadurch aus, dass ich – unter anderem auch bei Noragami – für das Anime-Design den Stil der Vorlage so gut wie möglich zu übertragen versucht habe. Doch als ich die Charaktere für BBB genauso designte, sagte der Regisseur mir, dass er das so nicht möchte und ich meine ganz persönliche Note mit einfließen lassen solle. Deswegen habe ich das Design für BBB auch mehrmals überarbeitet, bis ein zufriedenstellendes Ergebnis dabei herauskam. Für mich bestand also diesmal die Herausforderung nicht darin, die Figuren eines anderen Autors für einen Anime zu designen, sondern darüber nachzudenken, was genau meine persönliche Note und meinen eigenen Stil ausmacht.
Im Laufe Ihrer Karriere haben Sie, wie bereits gesagt, viele Manga-Figuren für den Bildschirm adaptiert, aber auch einige unvergessene Original-Charakterdesigns entworfen, so etwa für die Anime-Serie Cowboy Bebop. Was ziehen Sie persönlich vor: Eine bereits bestehende Vorlage für den Bildschirm aufzubereiten oder etwas völlig Neues zu kreieren?
TK: Wenn man es unter dem Aspekt betrachtet, was sich von der Mühe und dem Aufwand her noch mehr lohnt, dann wäre es die Schöpfung völlig neuer Charaktere. Aber beide Ansätze unterscheiden sich voneinander, so dass sich am Ende der Aufwand und die Mühe für beides gleichermaßen lohnt. Originalcharaktere muss ich komplett aus dem Nichts erschaffen, während ich Rücksprache mit dem Regisseur halte. Wenn ich eine Vorlage habe, dann muss ich mir zunächst Gedanken darüber machen, mit welchem Design der Originalautor zufrieden wäre und im nächsten Schritt muss auch der Regisseur sein Einverständnis geben. Als Designer bin ich immer sehr glücklich, wenn meine Arbeit den Originalautor zufriedenstellen und erfreuen kann.
Wie viele Stufen durchläuft so ein Charakterdesign von der ersten Skizze bis zum fertigen Entwurf?
TK: Wie ich vorhin schon sagte, versuche ich bei Anime, zu denen es eine Vorlage gibt, den Originalstil zu erhalten. So war es auch bei Noragami – in dem Fall braucht es dann auch nicht viel Überarbeitung. Ich zeichne die Entwürfe, und wenn der Regisseur dann wünscht, dass die Charaktere mit weniger Linien gezeichnet werden, dann vereinfache ich das Design noch einmal entsprechend. Bei Blood Blockade Battlefront hingegen sollte ich ja noch meine persönliche Note, meinen eigenen Stil mit einbringen, und es gab auch einige Szenen, die nur im Anime vorkamen. Vor allem Leonardo durchläuft auch viele Veränderungen, aber sein Design musste so vorgegeben werden, dass ihn alle ohne Probleme zeichnen können. Bei Blood Blockade Battlefront habe ich insgesamt fünf Entwürfe gemacht, bis das Design endgültig fertig war.
Inwieweit war Yasuhiro Nightow bei Blood Blockade Battlefront in die TV-Adaption seiner Figuren eingebunden?
TK: Im Anime tauchen die Originalcharaktere White, Black und der „König der Verzweiflung“ (Bild rechts) auf, für die wir Yasuhiro Nightow um eine Vorlage gebeten haben. Außerdem hat er mir sehr dabei geholfen, die ganzen Hintergründe der Geschichte zu verstehen, vor allem aber auch, wie das Werk visuell aufgebaut ist. Ich habe zudem gehört, dass er jedes Mal zur Nachvertonung der Folgen gekommen sein und seinen Kommentar dazu abgegeben haben soll. Ich habe noch von keinem anderen Manga-ka gehört, der wirklich jedes Mal zur Nachvertonung erschienen ist. Er hat sich also sehr stark in die Anime-Umsetzung eingebracht und ich denke, das gefiel ihm auch sehr gut.
Wenn Sie eine BBB-Superkraft wählen könnten, welche wäre das? Das Künstliche Auge der Götter von Leonardo Watch, die Brain-Grid-Stil-Blutkampftechnik von Klaus von Reinherz oder die Fähigkeit von Chain Sumeragi, quasi unsichtbar zu werden und durch Wände gehen zu können?
TK: Der Name „Brain-Grid-Stil-Blutkampftechniken“ ist ja schon ganz schön cool. (lacht) Aber wenn ich so meine persönlichen Interessen und die Alltagstauglichkeit bedenke, dann wäre die Fähigkeit, quasi unsichtbar zu werden, wohl interessanter. Es ist aber noch nicht mal dieses Fast-unsichtbar-Sein an sich, sondern die Art, wie sie ihre Existenz abschwächen und dadurch höher springen, gar fliegen und durch Wände gehen kann … Also das wäre noch interessanter für mich.
Gibt es in BBB einen Charakter, der Ihnen besonders ans Herz gewachsen ist?
TK: Ich habe Spaß daran, Sonic (Bild links) zu sehen, denn ich mag Tiere sehr gern. Zum Zeichnen fand ich so einen richtigen Erwachsenen wie Klaus sehr angenehm. Es macht Spaß, ihn zu zeichnen, weil er eine gefestigte Meinung hat, an sich glaubt, seine Gefühle nicht versteckt und diesen treu bleibt. Ich bewundere ihn.
Apropos Klaus: Finden Sie nicht, dass er ein wenig Jet Black aus Cowboy Bebop ähnelt?
TK: Doch nur der Bart! (lacht) Aber das Design für Klaus war ja so vorgegeben. Ich finde, sie ähneln sich in dem Punkt, dass man beruhigt ist, wenn man die beiden an seiner Seite hat.
Wie viele aktuelle Anime-Serien wurde auch BBB parallel zur TV-Ausstrahlung weltweit als Simulcast gestreamt. Wie stehen Sie zu dieser „digitalen Direktauswertung“? Und lesen Sie online das Feedback auf Ihre Arbeit?
TK: Ich habe das Gefühl, dass durch die Simulcasts unsere Zeitpläne noch enger geworden sind und wir weniger Zeit für die Lokalisierung haben. Aber die weltweit gleichzeitige Ausstrahlung bedeutet auch, dass unsere Projekte weltweit gleichzeitig von Fans angesehen werden können. Foren, in denen ausgiebige Reaktionen gepostet werden, versuche ich möglichst zu vermeiden, aber man bekommt das ein oder andere dennoch mit. Bei positivem Feedback bin ich natürlich froh, dass meine Arbeit gut ankommt. Bei negativem Feedback hingegen setzen wir uns mit der Kritik auseinander und lassen sie in unsere Arbeit einfließen.
Kommt es bei Anime-Produktionen, die als Simulcast veröffentlicht werden, häufig vor, dass zum Zeitpunkt der Ausstrahlung der ersten Folge der Rest der Serie noch gar nicht fertig ist?
TK: Ja, zu dem Zeitpunkt ist sogar der Großteil der Serie noch nicht fertig. Es gibt natürlich auch Projekte, die erst ausgestrahlt werden, wenn die ganze Serie oder eine gewisse Anzahl von Folgen fertig sind. So weit ich das bisher mitbekommen habe, wird der Zeitplan nach hinten hin aber immer knapper und bei den letzten Folgen kommt es dann vor, dass diese erst wenige Tage vor der Ausstrahlung überhaupt fertiggestellt werden. Das sollte bei einer Produktion natürlich nicht passieren. Aber man erhebt auch den Anspruch an sich selbst, den Zuschauern das Bestmögliche zu bieten, vor allem was die Zeichnungen anbelangt. Und so gibt man sich dann Mühe und versucht, selbst bei so einem engen Zeitplan bis zum Schluss das Beste herauszuholen, so dass viele Firmen und Anime-Studios letzten Endes in diese Situation kommen.
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Blood Blockade Battlefront © Yasuhiro Nightow/Shueisha, Kekkai Sensen Production Committee [/tie_slide]
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Blood Blockade Battlefront © Yasuhiro Nightow/Shueisha, Kekkai Sensen Production Committee[/tie_slide]
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Blood Blockade Battlefront © Yasuhiro Nightow/Shueisha, Kekkai Sensen Production Committee[/tie_slide]
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Blood Blockade Battlefront © Yasuhiro Nightow/Shueisha, Kekkai Sensen Production Committee[/tie_slide]
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Blood Blockade Battlefront © Yasuhiro Nightow/Shueisha, Kekkai Sensen Production Committee[/tie_slide]
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Blood Blockade Battlefront © Yasuhiro Nightow/Shueisha, Kekkai Sensen Production Committee[/tie_slide]
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Blood Blockade Battlefront © Yasuhiro Nightow/Shueisha, Kekkai Sensen Production Committee[/tie_slide]
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Schauen Sie sich eigentlich nur Animes an, oder auch andere Serien oder Filme?
TK: Ich schaue nicht nur Animes, aber von solchen Serien, die vielleicht für mich inspirierend sein könnten, schaue ich mir auf jeden Fall zumindest die erste Folge an. Zum Beispiel von Serien von Kyoto Animation. Ehrlich gesagt fehlt mir aber die Zeit, besonders viele Serien anzusehen. Ich komme eher dazu, mir auf einem Sender, der nur Filme ausstrahlt, ab und an einen Film anzusehen.
Welche Werke mögen Sie denn besonders?
TK: Ich mag viele Genres. Bevor ich nach Deutschland gekommen bin, hätte ich auch gern den Film Er ist wieder da gesehen, aber leider hat die Zeit nicht gereicht. Ich mag auch gerne Filme, die den Krieg thematisieren, aber auch Marvel-Filme. Wenn ich wieder in Japan bin, möchte ich auch gern den neuen Godzilla sehen. Der ist gerade erst angelaufen, aber als ich im Internet die Reaktionen verfolgt habe, haben selbst eingefleischte Fans sehr positiv über den Film berichtet, wodurch mein Interesse natürlich noch weiter gestiegen ist. Vor einiger Zeit habe ich zudem den Film Sherlock Holmes gesehen und das sogar mehrmals. Mir gefällt die neue Herangehensweise der Geschichte und die Schauspielkunst von Robert Downey Jr. Er war auch filmtechnisch sehr gut gemacht. Game of Thrones wurde mir auch empfohlen, aber leider habe ich bisher immer nur die erste Folge erwischt. (lacht)
Welchen Eindruck hatten Sie auf der AnimagiC von Ihren deutschen Fans ? Und gibt es bereits ein neues Projekt, an dem Sie arbeiten?
TK: Ich war überrascht, wie viele leidenschaftliche Fans ich hier treffen würde. Das hat mich sehr gefreut, aber auch geradezu überwältigt. In Japan hätte ich eine solche Erfahrung nicht machen können, da ich dort fast nur mit der Arbeit beschäftigt bin. Was künftige Projekte anbelangt, bin ich durchaus wieder als Charakterdesigner an dem ein oder anderen beteiligt, kann aber zur Zeit noch nicht ins Detail gehen.
Herr Kawamoto, vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen alles Gute.
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