Interview: Christina Plaka im Gespräch

Die Manga-ka von „GoForIt!“

In der aktuellen AnimaniA 6/2015 lest ihr unseren Artikel zu dem Shojo-Volleyball-Zweiteiler GoForIt! von Christina Plaka (u. a. Yonen Buzz), der im August zur AnimagiC bei Carlsen Manga gestartet ist. Wir haben mit der Künstlerin, die in diesem Jahr nicht nur zu den deutschen AnimagiC-Ehrengästen zählte, sondern auch Teil der Pimp my Character-Jury war, über ihre Arbeit und ihr neues Werk gesprochen. Hier lest ihr das Interview in ganzer Länge.

Hallo Christina, vielen Dank, dass Du Dir Zeit für dieses Interview nimmst!
Christina Plaka (CP): Hallo, danke auch für die Einladung zum Interview und die Möglichkeit, ein wenig über meine Arbeit und neuen Projekte zu sprechen!

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2003 hast Du Deine professionelle Manga-Karriere mit Prussian Blue in der Daisuki gestartet. Inzwischen blickst Du auf zahlreiche Veröffentlichungen zurück und hast außerdem einen Magister in Manga-Studien von der Seika University in Kyoto. Haben diese Erfahrungen die Art und Weise, wie Du Mangas heute planst und zeichnest, beeinflusst?
CP: Ja, definitiv! In Japan habe ich aus der Ferne zu Deutschland meine eigene Kultur schätzen gelernt und verstanden, dass es Zeit ist Manga in Deutschland spielen zu lassen und einen „heimischen“ Manga in Deutschland von deutschen Zeichnern für deutsche Leser mit „deutschen“ Inhalten zu gestalten.

Ich baue jetzt viel mehr mir bekannte Elemente wie Hintergründe beziehungsweise Umgebungen in die Storys ein. So zum Beispiel in GoForIt! das Uhland Gymnasium und die Mainhalle, die es in meinem Örtchen Bürgel auch tatsächlich gibt. Außerdem versuche ich jetzt, viel mehr über Dinge zu berichten, in denen ich mich selbst auch gut auskenne – wie das Volleyballspielen. In der Planung ist mir aufgefallen, dass ich seit Japan noch strukturierter vorgehe, mit roten Faden und Inhaltsangabe, viel akribischer als zu Yonen Buzz-Zeiten.


chara3Wie war es für Dich, in Japan zu studieren und zu leben?
CP: Es war die beste Zeit in meinem Leben. Ich habe mein Japanisch verfestigt und viele tolle Leute kennen gelernt – Professoren, Künstler und Kommilitonen. Vor allem die Zeit mit meiner Volleyballmannschaft an der Seika war für mich sehr intensiv. Wir haben viel zusammen unternommen und ich konnte richtig am japanischen Leben teilnehmen. Das Studium an sich war relativ locker, die einzige Herausforderung war die Sprache. Kyoto ist tatsächlich eine Art zweite Heimat für mich geworden, mit den kleinen traditionellen Geschäftsgassen, seinen Tempeln und seinem ganz eigenen Flair. Ich vermisse es sehr …

Wie beurteilst Du als deutsche Manga-ka der ersten Stunde die Entwicklung der „Mangas made in Germany“?
CP:
Ich finde die Entwicklung super interessant – vor allem die Wandlung von japanischen Inhalten zu deutschen Inhalten wie vorhin beschrieben. Ich finde es super wichtig, dass wir deutschen Zeichner auch Geschichten für unsere deutschen Leser machen und keine „Kopie“ der japanischen Vorbilder bleiben. Auch was den Zeichenstil angeht, finde ich, dass Mangas made in Germany viel sicherer und professioneller wirken als noch vor zehn Jahren.

seite2Wie bist Du auf die Idee zu GoForIt! und im Speziellen auf das Thema Volleyball gekommen?
CP:
Ich spiele ja selbst schon seit 20 Jahren Volleyball und bin ein großer Fan von Sport-Mangas. Ich bin mit Serien wie Captain Tsubasa, Mila Superstar und Kickers aufgewachsen und schaue seither mit großer Begeisterung Sport-Animes wie Slam Dunk, Free! oder seit letztem Monat auch Haikyuu!!. Schon vor sieben Jahren hatte ich mir fest vorgenommen, in Zukunft einen Volleyball-Manga über eine Jungenmannschaft zu zeichnen. Die ersten Skizzen zu GoForIt! sind kurze Zeit später entstanden … Und als ich vor drei Jahren Slam Dunk gesehen habe, ist mir die Charakterkonstellation zwischen Nike und Jona eingefallen. Ich wollte unbedingt auch einige Comedy-Elemente mit in die Story einbauen, das mag ich an anderen Serien auch immer sehr!

Welche erzählerischen oder künstlerischen Ziele hast Du bei diesem Projekt?
CP:
In erster Linie möchte ich mit diesem Manga wieder einige der jüngeren Manga-Leserinnen gewinnen und sie auch eventuell für das Volleyballspielen begeistern. Da GoForIt! kein richtiger Sport-Manga ist, wird das wohl aber eher nicht der Fall sein, dennoch wünschte ich, wir hätten wieder ein paar mehr Mangas auf dem deutschen Markt, in denen Sport eine Rolle spielt. Also Leute, kauft mehr Sport-Mangas!!

chara2Welche der Figuren aus GoForIt! liegt Dir am meisten am Herzen?
CP:
Ich denke ganz eindeutig Jona. Er ist ein super Volleyballspieler, so gut wie ich es gerne auch wäre! Ich liebe seine freche und doch etwas eingebildete Attitude, unter der sich aber ein wirklich guter Kern verbirgt. Immerhin opfert er viel Zeit für Nike und hilft ihr, obwohl sie ihn nicht leiden mag … Außerdem ist er sich in allem, was er tut, sehr sicher und von seinem Können überzeugt. Im zweiten Band wird deutlich, dass er ein wirklich guter und respektvoller Bursche ist. Ach ja, und natürlich sieht er gut aus, was sonst?

Hast Du eine persönliche Lieblingsszene im ersten Band?
CP:
Ich denke, es ist die Szene auf dem Sportplatz im vierten Kapitel, als Jona Nike das Angebot macht, ihr zu helfen. Diese Szene zeigt, dass man in schwierigen Situationen offen sein sollte, Hilfe von außen anzunehmen, dass es nicht falsch ist, sich helfen zu lassen und auch für Neues offen sein sollte. Auch für neue Personen in unserem Leben (selbst wenn sie einem am Anfang nicht ganz so sympathisch sein sollten). Das Bild eines Menschen kann sich ändern, sobald man ihn näher kennen lernt. Generell Vertrauen in andere Menschen zu haben, ist nicht immer einfach, aber wichtig.

Was macht für Dich einen guten Shojo-Titel aus?
CP:
Natürlich eine interessante Charakterkonstellation, die nicht von vorn herein perfekt ist. In erster Linie sollten die Charaktere in sich stimmig sein, der Leser sollte sich irgendwie mit ihnen identifizieren können. Deshalb finde ich Storys auch immer gut, wenn auch schwierige Momente zu meistern sind und sich daraus neue Gegebenheiten ergeben, wie Gefühlswechsel, andere Auffassungen et cetera.

Kannst Du uns schon einen kleinen Ausblick auf den zweiten Band geben?
CP:
Der zweite Band wird um einiges romantischer als der erste und es werden nicht mehr ganz so viele Comedy-Szenen enthalten sein. Auch ein neuer Charakter wird auftauchen und dann ist da ja noch Jonas Rückreise nach Brasilien im Sommer nach seinem Austauschjahr in Deutschland. Es wird auf den letzten Seiten so richtig spannend!

chara1Neben GoForIt! zeichnest Du aktuell auch an dem Manga Ciao Bibi, der im Comix-Magazin erscheint. Worum geht es in diesem Werk und wie unterscheidet es sich in Sachen Romance von GoForIt!?
CP:
Ciao Bibi ist für ein etwas älteres Publikum gedacht als GoForIt!. Es ist eigentlich ein Episoden-Manga mit je acht Seiten pro Kapitel, da er ja monatlich in der Comix erscheint. Stilistisch erinnert er auch ein wenig an die US-amerikanischen Comedy-Formate der 1990er-Jahre. Bibi ist die Protagonistin der Geschichte, sie hat ein Café vererbt bekommen und muss den alten Laden zusammen mit ihrer Großmutter und älteren Schwester schmeißen. Sie steht kurz vor der Heirat mit dem steifen Psychologen Fred. Ihr Leben wird komplett durcheinander geworfen, als plötzlich der gut gebaute Matteo bei ihr unter der Dusche steht und als neuer Barista im Café anfängt und zudem noch bei Bibi zu Hause einzieht. Romantik spielt hier dezenter eine Rolle, eher versuche ich, aus den verschiedenen Charakterkonstellationen komische Situationen zu erschaffen – das ist eine echte Herausforderung, da ich mir vorgenommen habe mindestens eine Szene pro Kapitel einzubauen, bei der der Leser lachen sollte! 😀 Ob mir das auch wirklich gelingt, ist eine andere Frage …

In diesem Jahr warst Du nicht nur auf der AnimagiC zu Gast, um GoForIt! vorzustellen, sondern warst auch Jurorin beim Pimp my Character-Wettbewerb. Welchen Eindruck hast Du von den diesjährigen Teilnehmern und dem deutschen Zeichennachwuchs im Allgemeinen?
CP:
Auch hier kann ich wieder nur sagen, dass sich das Niveau der deutschen Nachwuchszeichner im zeichnerischen aber auch im narrativen Bereich stetig verbessert! Ich bin wahrlich begeistert gewesen, vor allem von den ganz jungen Teilnehmerinnen, die mit 14 oder 15 Jahren so erzählen und zeichnen wie ich damals mit Anfang 20! Es ist unglaublich!!


seiteDu hast von Beginn Deiner Zeichenkarriere an einen charakteristischen, eigenen Stil gepflegt – hast Du vielleicht einen Stilfindungstipp für unsere zeichnenden Leser?

CP: Ja, das stimmt, wobei ich am Anfang auch viele japanische Vorbilder hatte. Aber mit der Zeit sollte man sich von den Vorbildern so weit wie möglich lösen und sich komplett auf einen eigenen Stil konzentrieren, dabei viel frei zeichnen, sogar gar nicht mal im Manga-Stil, sondern reales Zeichnen, Anatomie etc. Das habe ich auch gemacht und mein Stil hat sich von selbst weiterentwickelt.

Christina, vielen Dank für das Interview!
CP:
Auch euch vielen Dank für das Interview! Immer wieder gerne!

 

 

© Christina Plaka, GoForIt, Band 1, 2015
Foto
© Christina Plaka