Zur Veröffentlichung des ersten Printproduktes ihrer Manga-Zeichenschule i am mangaka! stand uns die Schulleiterin, Dozentin sowie Zeichnerin Christina Plaka (u. a. Kimi he – Worte an dich) Rede und Antwort. Erfahrt, was es mit ihrer Manga-Zeichenschule in Offenbach am Main auf sich hat und was ihr dort lernen könnt. Außerdem haben wir uns über die erste Kurzgeschichtensammlung ihrer Schüler unterhalten, die am 15. Oktober 2020 erscheint.
Hallo Christina, stelle dich doch zunächst erst einmal kurz vor und erzähle, was du so machst?
Christina Plaka (CP): Hallo, ich bin Christina Plaka, Deutschlands erste Manga-ka, Japanologin und Absolventin des weltweit einzigartigen Manga-Masterstudiengangs an der Kyoto Seika Universität. Einige kennen mich noch von meinen Publikationen wie Yonen Buzz, Kimi he – Worte an dich oder GoForIt! und eventuell sogar von meinem YouTube-Kanal. Momentan arbeite ich als Illustratorin und Schulleiterin meiner eigenen Manga-Zeichenschule i am mangaka! in Offenbach am Main.
Wann hast du die Manga-Zeichenschule gegründet und warum?
CP: i am mangaka! habe ich im August 2016 gegründet. Ich war nach meinem Master-Abschluss 2012 in Deutschland immer noch als Manga-ka beim Carlsen Verlag tätig, wollte aber von zu Hause ausziehen und unabhängig sein. Dafür brauchte ich allerdings ein höheres Einkommen. Um mehr Geld zu verdienen, habe ich zusätzlich zum Manga-Zeichnen verschiedene Jobs angenommen und schnell festgestellt, dass ich zeitlich nicht mehr zum Zeichnen kam. Zudem fühlte ich mich in den Bürojobs nie richtig wohl. Der einzige Job, der mir richtig viel Spaß bereitet hatte, war der im Japanischen Sprachzentrum in Frankfurt, wo ich zweimal in der Woche als Deutschlehrerin für japanische Hausfrauen arbeitete. Das Lehren machte mir so viel Spaß, dass ich den Entschluss fasste, meine beiden Leidenschaften, das Manga-Zeichnen und das Lehren, zu kombinieren und mein Fachwissen über Manga weiterzugeben. So gründete ich Deutschlands erste Manga-Zeichenschule nach japanischem Vorbild: i am mangaka!
Arbeitest du allein oder hast du auch Gastdozenten beziehungsweise weitere Lehrkräfte?
CP: Anfangs übernahm ich persönlich alle Stunden in unserem Lehrplan. Vor zwei Jahren sind dann auch weitere Dozenten in den Unterricht bei uns eingestiegen. Für unsere Workshops am Wochenende konnten wir 2019 bereits Olivia Vieweg, die Manga-ka von Endzeit und Bibi & Miyu und 2018 sogar die japanische Manga-ka Minami Qta gewinnen, die zum Beispiel Hirake Koma! gezeichnet hat.
Ihr habt ein richtiges Vorlesungsverzeichnis. Welche Kurse bietet ihr zum Beispiel an? Wie funktioniert das mit der Einstufung zu den Unterrichtsmodulen und wie kann man Schüler werden?
CP: Unser Kurssystem gleicht dem einer Universität. Wir bieten in jedem Semester Grund- und Wahlfächer an. Die Grundfächer wie „Manga Basics“ oder „Manga Advanced“ sollten alle Schüler belegen, um die Grundausbildung zu erlangen. Hier lehren wir alles über Charakterdesign, Anatomie und Posenzeichnen, Storytelling, Texten und Storyboarding. Die Wahlfächer wie zum Beispiel „Anatomie“ oder „Analoges/Digitales Illustrieren“ dienen dann zur Spezialisierung oder Vertiefung von Techniken. Die weit fortgeschrittenen Schüler können in einer Art Coaching-Klasse, unserer „Open Class“, direkt mit meiner Unterstützung an eigenen Projekten arbeiten und sich auf eine Verlagsbewerbung vorbereiten. Eine Einstufung von neuen Schülern ist nicht zwingend erforderlich, macht aber Sinn. Diese erfolgt immer in einer Mappensichtung an unserem Tag der offenen Tür, dem „Open Campus“, der zweimal im Jahr stattfindet. Interessenten sollten nach Möglichkeit zum Open Campus kommen, um mehr über unsere Kurse und das Einschreiben zu erfahren.
Wie hat sich die Zeichenschule in den letzten Monaten entwickelt und gibt es auch Onlinekurse?
CP: i am mangaka! erfreut sich Gott sei Dank nach wie vor großer Beliebtheit und hatte auch zum Start des diesjährigen Wintersemesters ab August so viele Anfragen und Anmeldungen wie noch nie zuvor! Die Zeit während des Lockdowns im März und April dieses Jahres war aber auch für uns eine Herausforderung, denn wir mussten von heute auf morgen auf digitalen Unterricht umstellen und die Kursinhalte entweder in Online-Sitzungen oder Lehrvideos vermitteln. Im Mai durften die meisten Klassen aber auch schon wieder zusammen vor Ort lernen. Aufgrund der zunehmenden und voranschreitenden Digitalisierung ist die Nachfrage nach Onlinekursen sehr groß. Und obwohl ich noch vor einem Jahr gegen Onlinekurse war, arbeiten wir gerade an der Umsetzung eines Online-Lehrportals für alle Interessenten, die wegen der Beschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht in die Schule kommen können oder wollen oder aber auch einfach zu weit weg wohnen, um regelmäßig zu uns zu kommen. Hoffentlich können wir 2021 die ersten Onlinekurse auf unserer Website launchen. Haltet also unbedingt Ausschau danach!
In diesem Jahr gab es aufgrund der COVID-19-Pandemie kaum Messen. Wo trifft man euch normalerweise an und wo kann man euch vielleicht im nächsten Jahr finden?
CP: Wir sind in der Regel auf den Messen und Conventions im Rhein-Main-Gebiet unterwegs, wie der Frankfurter Buchmesse, dem Main Matsuri oder der Nippon Connection. Wir hoffen sehr, dass im nächsten Jahr Messen und Conventions stattfinden können und freuen uns sehr, wenn wir auch erneut direkten Publikumsverkehr haben können.
Wie viele Schüler habt ihr aktuell?
CP: Aktuell nehmen 60 Schüler regelmäßig an unserem Unterricht teil.
Kommen wir zur ersten Verlagsveröffentlichung deiner Schule. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, einen Sammelband zu veröffentlichen, und wird es weitere Bände geben?
CP: Nachdem wir im Unterricht erste Kurzgeschichten fertig gezeichnet hatten und ich von der Qualität der Geschichten überwältigt war, wollte ich der Welt unbedingt zeigen, was meine Schüler draufhaben. (lacht) Ich hatte 2014 schon einmal einen Kurzgeschichtenband meines Manga-Kurses im Japanischen Sprachzentrum veröffentlicht und auch bei meiner japanischen Kommilitonin, Koo-senpai, eigens produzierte Manga-Bücher ihrer Manga-Klassen an der Osaka Gaidai Universität gesehen. Ich finde, es gibt nichts Schöneres und nichts, was meine Schüler mehr anspornt, als die eigenen Geschichten in einem Buch zu veröffentlichen. Da wir auch eine Schule sind und natürlich nach außen hin präsentieren möchten, was wir im Unterricht so schaffen, lag der Gedanke sehr nah, das Buch zu drucken und es auch zu verkaufen, um mit den Einnahmen aus dem ersten Band auch hoffentlich die Produktion eines zweiten Bandes finanzieren zu können! Sprich, mit dem Kauf eines jeden Buches unterstützen uns die Leser, ein zweites Buch zu machen und den Schülern weiterhin die Chance zu geben, veröffentlicht zu werden. Und natürlich habe ich es mir nicht nehmen lassen, auf den ersten 30 Seiten eine kleine Geschichte über die Anfänge der Schule beizusteuern. Schaut also unbedingt rein! Wir freuen uns und hoffen, dass euch das Buch gefällt!
Würdest du diesen ersten Sammelband noch in die Kategorie Selfpublisher-Dojinshi einordnen oder macht ihr gleich Nägel mit Köpfen und habt euch eine ISBN besorgt?
CP: Tatsächlich machen wir Nägel mit Köpfen und verkaufen das Buch mit der ISBN-Nummer 9783982114408.
Wie seid ihr an das Projekt erstes eigenes Buch herangegangen und welche Hürden musstet ihr bei der Erstellung des ersten Bandes überwinden?
CP: Ich muss gestehen, dass die Erstellung eines Manga-Taschenbuches viel mehr Arbeit und Aufwand darstellt, als ich zuerst gedacht hatte. Vom Einscannen und Nachbearbeiten der Seiten, dem Lettering und der grafischen Aufbereitung bis hin zur Fertigstellung und Anpassung an das richtige Endformat sind wir mehr als zweimal gescheitert. Wir mussten auch lernen, dass für Manga-Taschenbücher nicht jede Druckart geeignet ist und nicht alle Druckereien die Mittel haben, um ein hochwertig aufgelöstes Finish zu liefern. Selbst die richtige Anwendung von Rasterfolie auf digitalen Manga-Seiten beziehungsweise die Bekämpfung des berüchtigten „Moiré-Effektes“ (Anm. d. Red.: in diesem Fall ungewollt entstehende Rastermuster, z. B. durch die Überlagerung verschiedener Rasterfolien und nicht druckgeeignete Auflösung der Raster) hat uns sehr beschäftigt. Bei solch technischen und grafisch schwierigen Hürden hätte ich das Buch ohne die große Hilfe meiner Kollegin Sabrina niemals in den Druck geben können. Zuletzt kam uns dann im März COVID-19 dazwischen, sodass wir letzten Endes das Buch ein Jahr später als geplant veröffentlichen.
Wie habt ihr die Künstlerauswahl für den Sammelband getroffen?
CP: Das ist ganz einfach gewesen – alle Schüler der ersten Generation, die seit Anbeginn der Schulöffnung mit dabei sind, beziehungsweise diejenigen, die eine Kurzgeschichte bis zur Deadline abschließen konnten, haben wir in den ersten Band aufgenommen. Es liegen auch bereits zwei, drei Geschichten für einen zweiten Band bereit. Und wir hoffen natürlich, dass wir diesen auch produzieren können!
Wie hoch ist die erste Auflage?
CP: Die Auflage des ersten Bandes liegt bei 1000 Exemplaren.
Wo kann man den Sammelband bestellen?
CP: Hauptsächlich werden wir unser Buch über unseren eigenen Onlinestore auf unserer Website www.iammangaka.com verkaufen. Wir stehen unter anderem aber auch in Gesprächen mit dem Freibeutershop. Vorbestellen kann man signierte Exemplare zudem in den Frankfurter Comicläden T3 und X-Tra Boox. Alle näheren Infos hierzu werden wir auch noch mal über unsere Social-Media-Seiten via Instagram, Facebook und YouTube bekannt geben.
Plant ihr in Zukunft auch Einzelprojekte zu veröffentlichen oder seht ihr euch eher als Talentschmiede für andere Verlage?
CP: Ich kann mir beides sehr gut vorstellen, auch wenn Letzteres vorerst greifbarer ist. Zeit und Geld in Einzelprojekte zu investieren, ist definitiv ein superinteressanter Gedanke, dafür müssten wir aber erst einmal noch viel größer werden, damit ich für diesen Arbeitsbereich Mitarbeiter einstellen und sich alles von selbst tragen kann. Alleine schaffe ich es leider zeitlich nicht, an mehreren Buchprojekten zu arbeiten.
Wie sieht deine Zukunftsvision für i am mangaka aus?
CP: Mein Traum ist es, erste Anlaufstelle in ganz Deutschland zu sein, wenn es darum geht, das Handwerk des Manga-Zeichnens oder Illustrierens im Manga-Stil zu erlernen. Es gibt so viele Themen und Inhalte, die in Deutschland bezüglich des Manga-Zeichnens nicht gelehrt werden. Ich möchte dem deutschen Nachwuchs Manga als traditionelles und auch populäres japanisches Medium näherbringen, damit wir in Deutschland ein noch klareres und deutlicheres Bild davon erhalten, wie divers Manga sind und was Manga neben einem coolen Design wirklich ausmacht. Als wichtigste Institution für Manga-Lehre möchte ich mitunter die nächsten großen Manga-Talente Deutschlands ausbilden und sie bei Interesse an Verlage weiterempfehlen, damit sich das Bewusstsein für den deutschen Manga positiv weiterentwickelt und wir mit den internationalen Publikationen mithalten können!
Liebe Christina, vielen Dank für das Interview! Und für alle neugierigen Nachwuchszeichner noch der Hinweis: Der nächste Open-Campus-Schnuppertag der Manga-Zeichenschule i am mangaka findet am 21.11.2020 von 11:00 bis 14:00 Uhr statt – alle Informationen zur Anmeldung findet ihr auf der Schulwebseite.
© i am mangaka!, Offenbach 2020