Interview: Ban Zarbo im Gespräch

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Mit der neuen Serie Kamo – Pakt mit der Geisterwelt bereitet TOKYOPOP ab Juni 2017 den Weg für ein mystisches Abenteuer. Die Reihe stammt aus der Feder der 1993 geborenen Schweizer Manga-ka Ban Zarbo. Diese hat dominikanische Wurzeln und eine ganz besondere Beziehung zu Spukgeschichten. Wir haben sie für euch im Interview aber nicht nur zu ihren Verbindungen in die Geisterwelt, sondern auch zu ihrer Zeichenarbeit in der realen Welt befragt. Unsere Besprechung von Kamo – Pakt mit der Geisterwelt lest ihr in der aktuellen AnimaniA 4/2017.

Ban, vielen Dank, dass du dir Zeit für dieses Interview nimmst. Erzähl uns doch bitte kurz, wie du zum Zeichnen gekommen bist!

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Selbstporträt © 2017 Ban Zarbo / TOKYOPOP GmbH. All rights reserved.

Ban Zarbo (BZ): Ich bin mit Manga und Anime aufgewachsen. Schon meine Mutter hat Mangas gelesen und Animes angeschaut. Sie hat meine Zwillingsschwester Gin und mich gelegentlich vor den Fernseher gesetzt, wenn sie ihre Ruhe haben wollte, denn es kann ganz schön anstrengend sein, Zwillinge zu erziehen. Der erste Manga, den ich geschenkt bekommen habe, war der erste Band von Naruto, der mich dazu inspiriert hat, meinen ersten eigenen Manga zu zeichnen. Meine Zwillingsschwester Gin und ich haben den Band von vorne bis hinten analysiert und dann angefangen, im Taschenbuchformat zu zeichnen. Erst ein Jahr später erfuhren wir, dass man zum Zeichnen normalerweise ein größeres Papierformat nutzt! (lacht) Kamo war dann der erste Dojinshi, den ich im Selbstverlag herausgebracht habe.

Ich ließ meine Follower auf meiner Facebook-Fanpage entscheiden, was für eine Story sie lesen wollten, und sie entschieden sich für eine Geistergeschichte. Ich hatte den Manga eigentlich nur aus Spaß gezeichnet und war überrascht, wie gut Kamo online bei den Leuten ankam. Davor hatte ich immer nur für mich gezeichnet und die Seiten höchstens meiner Schwester Gin gezeigt. Vor sechs Jahren hörte ich dann zum ersten Mal von den Manga- und Comic-Conventions in Deutschland und beschloss kurzerhand, meinen Manga dort zum Verkauf anzubieten. Das positive Feedback zu meinen Zeichnungen und meinen Ideen hat mir Mut gemacht, weiter an meinen Geschichten zu arbeiten.

Woher kam die Inspiration zu Kamo?

BZ: Die größte Inspirationsquelle stellen die Geschichten meiner Mutter und meiner dominikanische Verwandtschaft dar. Meine Geschwister und ich sind mit Geistergeschichten groß geworden und so konnte ich im Grunde gar nicht anders, als eine Vorliebe für Mystery, Horror und Krimis zu entwickeln. Zusätzlich dienen mir die Romanreihen Die fünf Tore von Anthony Horowitz und 7 Wochentage von Garth Nix sowie Serien wie Supernatural, Ghost Whisperer, Constantine, Mirror usw. als Inspiration.

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Crimson erinnert vom Design durchaus ein wenig an die Shinigami in Death Note, gibt es da eine Verbindung?

BZ:  Dass Crimson den Shinigamis in Death Note ähnelt, höre ich schon sehr oft; obwohl es unbeabsichtigt war, habe ich mich wahrscheinlich unbewusst davon inspirieren lassen. (lacht) Eine Verbindung gibt es hier aber nicht. Crimson ist eine verlorene Seele, während es sich bei Shinigamis ja eher um Götter handelt.

Kamo erschien zunächst als Dojinshi auf der Online-Plattform Animexx. Wie ist TOKYOPOP auf dich aufmerksam geworden?

BZ: Dank meiner Schwester Gin stehen wir mit TOKYOPOP seit 2009 in Kontakt, weil sie in einer älteren AnimaniA-Ausgabe gelesen hatte, dass TOKYOPOP eine Mappensichtung auf der Leipziger Buchmesse veranstaltet. Damals gab ich eine 50-seitige Story ab. Ich dachte, dass man sich wie in Japan mit einem 40-seitigen Pilotkapitel bewerben muss. Der damalige Geschäftsführer Joachim Kaps hat Kamo dann gelesen und mir eine E-Mail geschrieben. Dummerweise fand ich jene Mail, in der stand, dass TOKYOPOP Kamo verlegen möchte, erst zwei Monate später in meinem Spam-Postfach! Ich war am Boden zerstört und dachte schon, es sei zu spät. Aber das Glück war auf meiner Seite und TOKYOPOP wollte Kamo dennoch verlegen. Damals schlug mein Herz so laut, dass ich fast gestorben wäre. Zuhause haben wir dann richtig gefeiert.

Bereits in deinem Dojinshi Match Spirit ging es um Geister. Was fasziniert dich an der Geisterwelt und gibt es bestimmte Titel, die dich dahingehend beeinflusst haben?

BZ: Mich fasziniert seit jeher das Übernatürliche. Ich selbst habe noch nie eine übernatürliche Erfahrung gemacht, aber Verwandte aus der Dominikanischen Republik behaupten steif und fest, dass Geister tatsächlich existieren. Die Dominikaner sind sehr abergläubisch. Ich versuche natürlich auch immer, eine rationale Erklärung für übernatürliche Ereignisse und Phänomene zu finden, aber es macht trotzdem Spaß, darüber nachzudenken, ob es nicht vielleicht doch Dinge gibt, die das bloße Auge nicht sieht. Ich würde es mir wünschen, und so halte ich immer Block und Stift bereit, wenn mir jemand eine übernatürliche Geschichte erzählt.

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Ob Batman von DC, Elsa aus Die Eiskönigin von Disney oder Shinra in Fire Force, all diese Figuren haben eines gemeinsam: Zu Beginn der Geschichte verlieren sie ihre Eltern, selbst Alice aus Alice im Wunderland ist komplett auf sich allein gestellt. Auch deine Helden in Kamo und Match Spirit müssen ohne Eltern auskommen, wenn du sie auch nicht gleich um die Ecke bringst. Abenteuer scheinen unmöglich unter elterlicher Aufsicht. Woran liegt das deiner Meinung nach und warum hast du dich dafür entschieden, Kamo allein losziehen zu lassen.

BZ: Eltern hindern jugendliche Protagonisten oftmals daran, eigenmächtig zu handeln. Ich glaube, Jugendliche lesen vorzugsweise Geschichten, in denen die Helden auf sich alleine gestellt sind, weil sie sich vorstellen wollen, wie sie sich selbst in einer entsprechenden Situation ohne Bevormundung durch Eltern verhalten würden. Dass Kamo sich am Ende des ersten Kapitels dazu entschließt, seine Eltern zu verlassen, hat auch dramaturgische Gründe: Geheilt zu seinen Eltern zurückzukehren, ist das große Ziel, das Kamo antreibt und somit auch die Geschichte voranbringt. Zum anderen hätte er wahrscheinlich große Probleme gehabt, seinen Eltern beizubringen, dass er einen Pakt mit einem Geist eingegangen ist und vorübergehend durch Geisterenergie am Leben erhalten wird.

Du hast für Kamo zum ersten Mal mit einem Redakteur zusammengearbeitet. Erzähle uns doch bitte, wie so eine Zusammenarbeit aussieht und wie sie sich vom Dojinshi-Zeichnen unterscheidet!

BZ: Die Zusammenarbeit mit meinem Redakteur hat mir eine völlig neue Sichtweise auf meine Geschichte ermöglicht. Ein Redakteur behält die Übersicht; achtet darauf, dass die Story rund bleibt, weist dich darauf hin, wenn eine Szene zu kurz oder zu lang ist, fügt Ideen hinzu, korrigiert deine Texte und macht sie verständlicher und baut mit dir zusammen eine ganze Welt auf. Das alles muss man als Dojinshi-Zeichner komplett alleine machen. Es gibt natürlich Genies, die das können, aber manchmal kann so ein Redakteur eine unglaubliche Stütze sein. Diskussionen während der Planung und Gestaltung der Seiten bleiben natürlich nicht aus, und manchmal kommt es zu einem richtigen E-Mail-Battle, aus dem derjenige mit den besseren Argumenten für oder gegen etwas dann als Sieger hervorgeht. (lacht) Aber ich bin meinem Redakteur für vieles unglaublich dankbar. Ohne ihn wäre ich an vielen Stellen verloren gewesen und Kamo nicht das, was es jetzt ist. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an Yannick Grotholt!

© Ban Zarbo
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Wie gehst du ans Zeichnen heran? Wie entsteht ein Kapitel?

BZ: Zu Beginn habe ich die komplette Story von Kamo gemeinsam mit meinem Redakteur bis Band 3 durchgeplant und in Stichworten erfasst. Im Anschluss ist eine ausführliche Zusammenfassung entstanden, die mehrere Seiten umfasste. Ein Band wird in sechs Kapitel unterteilt, den Inhalt eines Kapitels verteile ich auf 28 Seiten. So entsteht dann zunächst das Storyboard, das von meinem Redakteur kontrolliert und korrigiert wird. Manchmal muss ich das Storyboard dreimal neu zeichnen, bis er mit dem Ergebnis zufrieden ist. Sobald mein Redakteur sein Okay gibt, setze ich das Storyboard als Reinskizze um. Die fertige Reinskizze muss ich wieder meinem Redakteur vorzeigen, der dann meist noch einige Dinge geändert haben möchte. Danach kann ich endlich mit dem Tuschen und Rastern der Seiten beginnen und das Kapitel fertigstellen. In seltenen Fällen kommt es dann auch noch mal zu Änderungswünschen seitens der Redaktion.

Welche Zeichenmaterialien benutzt du?

BZ: Ich benutze verschiedene Federn wie Maru- und G-Pen von Nikkon und Zebra, Document-Tusche, einen Fude-Pen für das Schwärzen, A4-Deleter-Kant-Papiere, einen Wing Brooms für die Radierfusseln, sowie die verschiedensten Lineale, Kreis- und Ellipsen-Schablonen und natürlich Bleistift, Mono-Radierer und einen Blauminen-Bleistift für die grobe Vorskizze. Ich hoffe, ich habe nichts vergessen. (lacht)

Wie entwirfst du deine Figuren?

BZ: Meine Figuren entstehen komplett aus meiner Fantasie. Sie entwickeln sich während der Story und meist lerne ich sie so selber erst richtig kennen. Das ist der Hauptgrund, warum mir Manga-Zeichnen so viel Spaß macht: Meinen Figuren, die vorher nur als Skizze oder Farbillustration existierten, wird durch die Handlung Leben eingehaucht.

Shokola spricht Spanisch und ist insgesamt ein recht exzentrischer Charakter. Hast du selbst Spanischkenntnisse? Kannst du uns erzählen, wie speziell diese Figur entstanden ist?

BZ: Shokola stellt eine Besonderheit dar, da ich mich für ihre Frisur tatsächlich an einem realen Vorbild orientiert habe: Ich habe Nana Yaas (u. a. Goldfisch) Afro-Haarpracht ins Visier genommen, sie gedanklich zu einem Bommel zusammengebunden und zu Papier gebracht. Genau wie ich hat Shokola dominikanische Wurzeln. Ihr Charakter entspricht dem temperamentvollen Auftreten meiner Mutter und meiner kleinen Schwester. Und ein klein wenig auch meinem. (lacht) Als Halb-Dominikanerin spreche ich natürlich auch ein wenig Spanisch.

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Gibt es einen Charakter in deinem Werk, den du ganz besonders magst und warum?

BZ: Thunderbolt, der erste Geist, den Kamo und Crimson jagen, gehört zu meinen Lieblingsfiguren. Im Grunde ist er ein guter Kerl, doch er verfällt seinen Kräften, die er im Laufe des Mangas immer besser zu nutzen weiß. Allgemein zeichne ich »Bad Boys« am liebsten, auch wenn ich schlussendlich einen etwas ruhigeren Charakter als Protagonisten ausgesucht habe.

Liest du als deutsche Manga-ka selbst auch Mangas deutscher Zeichner?

BZ: Ich lese auch deutsche Werke. Aktuell gefällt mir Das Liberi-Projekt von Tamasaburo sehr gut. Aber im Großen und Ganzen fällt es mir schwer, mich auf deutsche Werke einzulassen. Insgesamt gibt es nur drei deutsche Manga, die mir richtig gut gefallen haben; bei den anderen Projekten hat es meiner Meinung nach inhaltlich oder zeichnerisch noch etwas gehakt. Oft lag es aber auch einfach nur daran, dass mir das Genre von vornherein nicht zugesagt hat. Man sieht aber, dass sich die Leute bemühen und stetig verbessern und es da draußen viele Talente gibt, sowohl bei den deutschen Manga-kas als auch bei den Dojinshi-Zeichnern. Ich hoffe sehr, dass die Szene weiter wächst, weiterhin so produktiv bleibt wie jetzt und die Künstler alles daran setzen, sich weiterzuentwickeln. Es wäre schön, wenn die Leser irgendwann nicht mehr zwischen deutschen und japanischen Manga unterscheiden würden

Was machst du in deiner freien Zeit, wenn du nicht an deinem Manga zeichnest?

BZ: Neben dem Zeichnen sehe ich mir unheimlich gern Filme an. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht mindestens zwei Filme schaue. Vor allem Superheldenfilme können mit ihren Actionszenen sehr hilfreich fürs Shonen-Manga-Zeichnen sein. Außerdem lese ich viele Romane, spiele Klavier und gehe im Sommer mit meiner Familie Basketball spielen oder in den Schweizer Bergen wandern.

Hast du zum Abschluss noch eine Nachricht an die deutschen Manga-Leser?

BZ: Vielen Dank, liebe Leser, dass ihr euch dieses Interview durchgelesen habt. Ich werde versuchen, mich weiterhin zu steigern und euch stets eine spannende Geschichte zu präsentieren. Auf jeden Fall baue ich auf eure Unterstützung und ich würde mich unheimlich freuen, wenn ihr mich auf diesem steinigen Weg begleiten würdet. Over and out!

Ban, vielen Dank für das Gespräch!

Kamo – Pakt mit der Geisterwelt erscheint ab Juni bei TOKYOPOP. Unsere Besprechung lest ihr in der aktuellen AnimaniA 4/2017!