Mit DAN DA DAN, der Anime-Adaption von Yukinobu Tatsus gleichnamigem Shonen-Manga, schuf Studio Science SARU im Herbst DEN Action-Comedy-Serienkracher, der mit ADN, Crunchyroll und Netflix bei gleich drei hiesigen Streaming-Anbietern im Simulcast zu sehen war. Während die für Juli angekündigte zweite Staffel bereits mit dem hiesigen Kino-Release des Auftakt-Movies DAN DA DAN: EVIL EYE eingeläutet wurde, startet am 27. Juni bei polyband anime das DVD- und BD-Release von Staffel 1, deren zwölf Episoden auf drei Volumes inklusive der von ADN und Crunchyroll bekannten Synchro der Oxygen Sound Studios erscheinen.
In der aktuellen AnimaniA 3/2025 geben euch Producer Hiroshi Kamei, Scriptwriter Hiroshi Seko und Music Composer kensuke ushio exklusive Einblicke hinter die Kulissen der Produktion. Da uns kensuke ushio im Interview jedoch noch sehr viel ausführlichere Antworten gab, freuen wir uns, euch hier nun zum Disc-Start von Staffel 1 das vollständige Interview mit dem Music Composer präsentieren zu können. Viel Spaß beim Lesen!
Hallo Herr ushio. Würden Sie sich unseren Lesern zunächst kurz vorstellen und einen Überblick über Ihren musikalischen Werdegang geben? Wie kam es dazu, dass eine Karriere als Musikproduzent einschlugen und schließlich unter anderem auch Music Composer für Animes wurden?
kenuske ushio (ku): Ich bin kensuke ushio, der Komponist von DAN DA DAN. Wenn ich meinen Werdegang kurzfasse, sieht er so aus: Ich liebe Musik und war ursprünglich als Musiker tätig. Dann wurde mir gesagt: „Mach mal Filmmusik!“ (lacht) Ich hatte großen Spaß an dieser Arbeit, und ohne es richtig wahrzunehmen, waren zehn Jahre vergangen. Und ich freue mich, heute hier sein zu dürfen.
Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie zum ersten Mal gefragt wurden, ob Sie Filmmusik komponieren möchten? Es war doch sicher ein ganz anderes Genre als die Musik, die Sie zuvor gemacht haben?
ku: Ich bin selbst ein großer Anime-Fan, daher war ich unglaublich glücklich darüber. Und als großer Anime-Fan war das so, dass mein innerer „Mini-ushio-kun“ mir immer zugeflüstert hatte „Halbherzige Sachen werden hier niemals toleriert“, und das machte mich so nervös. (lacht)
Gibt es Anime-Soundtracks, die Ihre eigene Arbeit beeinflusst haben?
ku: Mein Musikgeschmack und mein Faible für Anime sind klar voneinander getrennt, also denke ich, dass meine Musik kaum von Anime beeinflusst wurde. Aber wenn ich mich für einen Soundtrack entscheiden müsste, wäre es Boogiepop Phantom. Ich liebe die europäische Underground-Dance-Szene, und dieser Soundtrack vereinte viele japanische Künstler, die mit dieser Szene verbunden sind. Besonders beeindruckt hat mich Rei Harakami, den ich schon als Teenager verehrte. Ich versuchte damals, seine Sounds und Produktionsweise nachzuahmen und überlegte, wie er seine Klänge kreiert hatte.
Kommen wir zu DAN DA DAN: Wie kam es dazu, dass Sie als Music Composer für diese Produktion verpflichtet wurden?
ku: Ich hatte bereits an mehreren Projekten mit Science SARU gearbeitet. und eines Tages zufällig die Gelegenheit, mit dem CEO des Studios Eunyoung Choi zu sprechen. Ich wusste ja schon, dass Science SARU an DAN DA DAN arbeiten würde, also sagte ich ihr „Herzlichen Glückwunsch“. Daraufhin fragte sie mich: „Magst du DAN DA DAN?“, woraufhin ich antwortete: „Ja, ich mag es.“ Dann hieß es von ihr: „Ich melde mich später.“ Und tatsächlich erhielt ich ein bis zwei Wochen danach das offizielle Angebot. Darüber war ich sehr glücklich.
Und können Sie sich an Ihren ersten Eindruck erinnern, als Sie den Manga von Yukinobu Tatsu gelesen haben?
ku: Mein erster Eindruck war, dass die Zeichnungen schon ab der ersten Seite unglaublich beeindruckend sind. Dann spürte ich noch, wie viele verschiedene Elemente in DAN DA DAN stecken: klassische japanische Yakuza-Filme, alte Sci-Fi-Tokusatsu und sogar nostalgische Werbespots. Selbst wenn man eine humorvolle Szene nimmt, merkt man, wie tief sie in solch unterschiedlichsten Kulturen verwurzelt ist. Im positiven Sinne. Das war überwältigend, cool, und etwas, das ich noch nie gesehen hatte. Ein heftiges Werk, dachte ich.
„Das war überwältigend, cool, und etwas, das ich noch nie gesehen hatte.“
Welche Aufgaben umfasst Ihre Tätigkeit als Music Composer von DAN DA DAN?
ku: Ich habe die komplette Hintergrundmusik, abgesehen von Opening und Ending, komponiert. Bei einer Anime-Serie läuft die Musikproduktion parallel zur Animation. Da ich beim Komponieren meist nicht das fertige Bildmaterial sehe, orientiere ich mich an Konzeptzeichnungen der Charaktere, Hintergrunddesigns, dazu Drehbücher, Storyboards und Animatics, um die Musik zu gestalten. Normalerweise gibt es eine sogenannte „Menüliste“, die angibt, welche Art von Musik benötigt wird, und danach wird die Musik komponiert und abgeliefert. Aber ich bevorzuge es, zuerst ein „Image Album“ zu erstellen, das meine musikalische Vision vermittelt. Auch für DAN DA DAN habe ich ein solches Album erstellt und es Regisseur Yamashiro vorgestellt. Er war sofort begeistert, und wir entschieden uns, diesen Ansatz weiterzuverfolgen.
Wir können uns vorstellen, dass es eine große Herausforderung war, die musikalische Welt zu erweitern, obwohl es in der frühen Produktionsphase nur wenige Anhaltspunkte gab und noch kein fertiges Bildmaterial vorhanden war.
ku: Es war eine große Herausforderung, aber da mir schon zu Beginn ein klares Konzept im Kopf einfiel, hatte ich nicht viele Zweifel. Allerdings war die Menge an Musik, die benötigt wurde, enorm und das war der anstrengendste Teil, glaube ich. Aber der Manga DAN DA DAN ist ein so kraftvolles Werk, dass es trotz aller Schwierigkeiten sehr viel Spaß gemacht hat.
Welches musikalische Konzept haben Sie bei DAN DA DAN konkret verfolgt?
ku: Da DAN DA DAN unterschiedlichste kulturelle Einflüsse vereint, habe ich das Gleiche bei der Musik gemacht und Sampling-Technik genutzt, bei der Elemente aus bestehenden Werken in neue Kompositionen integriert werden. Ich fand, dass dieser Ansatz perfekt zur Art und Weise passt, wie DAN DA DAN erzählt wird. Ich wollte das Sampling von daher bewusst ins Zentrum der musikalischen Gestaltung rücken und verschiedenste Elemente nutzen. Diese wurden in völlig neue Genres transformiert, verfremdet und dekonstruiert. Die Umsetzung verlief anfangs reibungslos. Allerdings konnte ich nicht einfach bestehende Musik sampeln. Deshalb habe ich zunächst eigene Originaltracks komponiert, diese dann gesampelt und daraus wieder neue Stücke kreiert. Dieser vielschichtige Prozess erforderte zahlreiche Bearbeitungsschritte und war extrem aufwendig.
Können Sie uns dieses Konzept noch ein bisschen ausführlicher erläutern?
ku: Nachdem ich mich für das Sampling entschieden hatte, stellte sich die Frage: Was bedeutet das eigentlich? Wenn ich zum Beispiel den Klang japanischer Musik aus den 1970er und 1980er Jahren nachbilden wollte, reichte es nicht, einfach die Noten zu kopieren. Damals gab es keine LED-Screens, sondern nur Röhrenfernseher. Der Klang war verzerrt, die Tonqualität nicht besonders gut, und weder die hohen noch die tiefen Frequenzen kamen wirklich zur Geltung. Aber ich hielt genau das für sehr wichtig. Wenn man etwa die Musik aus 1970er-Sci-Fi-Serien wie Doctor Who oder UFO heute mit einem vollbesetzten Blasorchester nachspielen würde, hätte man das Gefühl: „Irgendwie passt das nicht.“ Aber wenn man die Originalmusik so hört, wie sie damals aus einem Röhrenfernseher klang, heißt es: „Oooh!“, und man ist begeistert. Deshalb habe ich einige meiner Tracks so bearbeitet, dass sie klingen, als würden sie aus einem alten Röhrenfernseher kommen. Wenn ich die Kultur aus den 1970er oder 1980er Jahren sampeln will, dann nicht nur den Stil, sondern auch den Klang dieser Zeit. Will ich ein Stück im Stil eines 1960er-Jahre-Yakuza-Films komponieren, dann im originalgetreuen Sound dieser Epoche. Dieses Rekonstruieren damaliger Sounds ist sehr schwierig, und oft habe ich das Gefühl: „Da ist noch Luft nach oben!“ Aber genau das motiviert mich und ich werde weiter daran arbeiten.
„ich habe einige meiner Tracks so bearbeitet, dass sie klingen, als würden sie aus einem alten Röhrenfernseher kommen.“
Und wie sieht es aus technischer Sicht aus, wenn man Mystery, Horror oder Science-Fiction als Ansatz nimmt?
ku: In den 1990er Jahren gab es weltweit einen UFO-Boom. Es gab ja Serien wie Akte X. Ich habe diesen Stil nicht einfach kopiert, aber ich wollte das Unbehagen, das man hatte, wenn man solche Sendungen schaute, rekonstruieren. Andererseits hat DAN DA DAN auch zutiefst emotionale Momente. Die tragische Hintergrundgeschichte von Turbo-Oma ist ja wirklich schmerzhaft. Und das Schicksal von Akrobatin Silky ist unglaublich traurig. Für solche Szenen wollte ich die Gefühle der Mädchen oder die Mutter direkt musikalisch einfangen. Anstatt hier auf kulturelles Sampling zurückzugreifen, entscheide ich mich dafür, die Musik mit einem vollständigen Orchester zu schreiben oder gezielt eine furchteinflößende Komposition zu erstellen. So habe ich das bewusst unterschieden.
Wie sieht Ihre Zusammenarbeit mit den anderen Staff-Mitgliedern aus, zum einen natürlich mit Regisseur Fuga Yamashiro, aber insbesondere auch mit Sound Director Eriko Kimura?
ku: Mit Sound Director Kimura arbeite ich bereits seit zehn Jahren zusammen. Ich könnte sagen, dass wir uns blind verstehen, wobei das vielleicht zu unhöflich gegenüber Frau Kimura sein könnte. Aber wir kennen uns jedoch so gut, dass wir bei jedem Track gemeinsam die Richtung abstimmen und effizient arbeiten konnten. Regisseur Yamashiro gefiel das Image Album bereits in der frühen Phase der Produktion. Auch später, wenn ich ihm jeweils fünf neue Tracks vorstellte, erhielt ich fast immer positive Rückmeldungen wie „Das ist großartig!“ anstatt Änderungswünsche, so dass er mich aufgeheitert hatte. Das führte dazu, dass wir uns nicht gegenseitig am Kragen packen mussten (lacht). Wir konnten gemeinsam die Musikproduktion entspannt und mit viel Spaß umsetzen. Und wenn ich die Abläufe und Rollenverteilung etwas genauer erkläre: Neben Herr Kimura war auch Frau Maiko Gouda für die Musikauswahl verantwortlich. Herr Kimura hatte als Sound Director den Gesamtüberblick über Dialoge, Soundeffekte und Musik als Gesamtpaket. Gouda arbeitete eng mit ihm zusammen und war speziell für die Musikauswahl zuständig – also welche Tracks komponiert werden sollten und an welchen Stellen sie eingesetzt werden, um den besten Effekt zu erzielen. Man kann also sagen, dass Kimura und Gouda für die musikalische Regie verantwortlich waren, während ich als Komponist in erster Linie die Musik umsetzte.
Was war für Sie generell die größte Herausforderung bei der Produktion der Musik für DAN DA DAN, gerade auch im Vergleich zu Ihren bisherigen Arbeiten als Anime-Music-Composer?
ku: Die größte Herausforderung war definitiv das enorme Arbeitspensum, denn viele Musikstücke mussten mehrfach überarbeitet werden. Schlaf war Mangelware, es war anstrengend, hat aber trotzdem Spaß gemacht. Allerdings könnte es sein, dass ich das inzwischen verdrängt habe und es in Wirklichkeit die Hölle war. (lacht) Und dann waren da noch die musikalischen Anforderungen von Herrn Kimura und Frau Gouda. Sie kamen oft mit Wünschen wie: „Der Track soll erst traurig sein, dann fröhlich, und dann geht’s zum Battle!“ Da dachte ich mir: „Das sind drei verschiedene Songs!“ Ich nutze gerade die Gelegenheit, um ein bisschen Dampf abzulassen (lacht).
Gibt es eine Szene aus Staffel 1, deren musikalische Vertonung Sie im Rückblick als besonders gelungen empfinden?
ku: Zum einen die Verfolgungsjagd mit Turbo-Oma in Folge 4, für die ich Himmel und Hölle und die Wilhelm Tell-Ouvertüre völlig durcheinandergeworfen und einen Techno-Track daraus gemacht habe. Frau Gouda hat die Musik dann perfekt eingesetzt. So gut, dass ich selbst überrascht war, weil ich nicht dachte, dass sie sich so nahtlos in die Szene einfügen würde. Dann gibt es noch die bereits angesprochene traurige Szene mit der Akrobatin Silky in Folge 7: Ich habe die Musik komponiert, aber da saubere orchestrale Arrangements nicht meine große Stärke sind, habe ich mit einem Orchestrator zusammengearbeitet, der für die Orchestrierung und Arrangements zuständig war. Ich glaube, die Abstimmung hat hervorragend funktioniert. Diese Musik wurde speziell für die Szene geschrieben, und ich finde, sie hat sich wunderbar mit der wunderschönen Animation verbunden.
Auf Social Media gab es viele positive Stimmen und Lob von den Fans. Haben Sie das mitbekommen? Was denken Sie darüber?
ku: Das freut mich wirklich sehr! Aber ein kleiner Teil von mir denkt auch: „Das sagt ihr doch bestimmt zu allen, oder?“ Also schmolle ich ein bisschen. (lacht) Ich habe die europäische Underground-Dance-Szene schon als Kind geliebt, und besonders Deutschland ist für mich einer der wichtigsten Orte. Ich habe sogar eine Zeit lang am Rosenthaler Platz in Berlin gelebt, als eine Art „Techno-Ausbildung“. Damals war ich oft im Berghain und in der Panorama Bar unterwegs. Ich würde sagen, meine Seele ist in Berlin geblieben. Deshalb freut es mich unglaublich, dass DAN DA DAN auch Menschen aus dieser Szene erreicht und ich mit ihnen darüber sprechen kann. Berlin war immer das Zentrum meiner musikalischen Welt und ich denke, dass meine Erfahrungen dort definitiv in DAN DA DAN eingeflossen sind.
„Berlin war immer das Zentrum meiner musikalischen Welt“
Gerade bei einer TV-Serien-Produktion wie DAN DA DAN ist die Arbeit als Music Composer aufgrund der wöchentlichen Deadlines sicherlich sehr zeitaufwändig und kräftezehrend. Haben Sie bestimmte Hobbys oder Freizeitbeschäftigung, die Ihnen dabei helfen, sich von den Strapazen der Arbeit zu erholen?
ku: Mein Rezept ist, einfach ein anderes Stück zu komponieren. Ich habe gar nicht die Zeit, mich vom Komponieren zu distanzieren. Wenn ich bei einer traurigen Melodie feststecke, mache ich Dance-Music. Und wenn mir Dance-Music irgendwann zu viel wird, wechsle ich zurück zu melancholischen Kompositionen. Das ist die perfekte Abwechslung für mich.
Noch einmal zurückkommend auf die Aliens und Geister, mit denen sich Momo und Okarun in DAN DA DAN auseinandersetzen müssen: Glauben Sie persönlich, dass eines von beiden oder sogar beides existiert? Und was würde Ihnen wohl mehr Angst bereiten: eine Invasion von Außerirdischen oder eine Konfrontation mit Geistern und wieso?
ku: Geister sind auf einer psychologischen Ebene unheimlich, aber wovor ich wirklich große Angst hätte, wären Außerirdische. Es wäre zu lang, das hier zu begründen – also lest doch einfach mal den Sci-Fi-Roman Die drei Sonnen. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass es Außerirdische gibt. Ob Geister existieren, weiß ich hingegen nicht.
Herr ushio, noch einmal vielen herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns genommen und einen Einblick in Ihre Arbeit gegeben haben. Wir wünschen Ihnen alles Gute und freuen uns auf Staffel 2 von DAN DA DAN sowie generell auf Ihre nächsten Projekte!
Wenn ihr wissen wollt, was uns DAN DA DAN-Producer Hiroshi Kamei und -Scriptwriter Hiroshi Seko alles über die Produktion verrieten: Unser Interview mit allen drei Künstlern lest ihr in der aktuellen AnimaniA 3/2025, die seit dem 6. Mai am Kiosk und als DVD-Ausgabe im Comic- und Fachhandel erhältlich ist.
©Yukinobu Tatsu/SHUEISHA, DANDADAN Production Committee