Attack on Titan: Interview mit den deutschen Sprechern Max Felder und René Dawn-Claude

Am 28. Oktober war es endlich so weit und das von den deutschen Fans lange herbeigesehnte Release der Horror-Anime-Hitserie Attack on Titan ging hierzulande endlich an den Release-Start! Mit der deutschen Synchro stellte René Dawn-Claude nach seiner herausragenden Arbeit an Steins;Gate abermals sein Können als Dialogregisseur unter Beweis, und konnte für die Rolle von Eren Jäger mit Max Felder zudem einen erfahrenen deutschen Synchronsprecher gewinnen, den ihr unter anderem als deutsche Stimme von Ron Weasley in den Harry Potter-Filmen kennt. Wir haben die beiden zum Interview getroffen, das wir euch hier  präsentieren. Am 24. Februar erscheint bei Kazé Anime übrigens bereits das vierte DVD- und Blu-ray-Volume mit den Episoden 20 bis 25.

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Attack on Titan ©Hajime Isayama,Kodansha/“ATTACK ON TITAN“Production Committee. All Rights Reserved.

Hallo René, hallo Max. Attack on Titan ist ja derzeit nicht nur in Japan ein riesiges Thema, sondern erscheint auch hierzulande als Manga, Game, Realfilm und nun endlich auch als Anime. René, was ging dir durch den Kopf, als dir die Aufgabe des Dialogbuchautors und -regisseurs für die TV-Serie angetragen wurde?
René Dawn-Claude (RDC): Als ich das Angebot für die Bearbeitung der Serie erhalten habe, bin ich aus allen Wolken gefallen! Es war Mitte Mai diesen Jahres, mit ordentlich warmen Temperaturen draußen und trotzdem hatte mich die News ordentlich zum Zittern gebracht, so aufgeregt und euphorisch war ich!!

Max, wie bist du genau zu der Rolle von Eren Jäger gekommen?
Max Felder (MF): Ich war Mitte des Jahres in Berlin, um für den Anime-Film The Anthem of the Heart die Rolle des Takumi Sakagami zu sprechen. Hier habe ich das erste Mal mit René zusammengearbeitet, der in diesem Fall sowohl Sprecher als auch Regisseur war. Wir haben uns auf Anhieb super verstanden, und auch die Arbeit im Studio ist uns leicht gefallen. Am letzten Tag gingen wir noch alle zusammen etwas essen. René steckte gerade in der Vorbereitung für Attack on Titan, und als wir beim Essen über Anime-Filme, Serien und die Arbeit sprachen, meinte er plötzlich zu mir, „Sag mal so heldenhaft wie du kannst: ‚Ich werde die Titanen vernichten!‘“. Relativ perplex tat ich das, worauf er sagte: „Mmh, gar nicht schlecht…“. René hat sich dann für mich eingesetzt und schlug mich der Redaktion vor, woraufhin mich die Aufnahmeleitung anrief und mit mir Termine besprach. Kurz darauf hatte ich die Rolle.

Das ursprünglich bereits für Spätsommer 2014 angekündigte deutsche DVD- und Blu-ray-Release der Attack on Titan-Anime-Serie musste wiederholt verschoben werden, wodurch die ohnehin hohen Erwartungen der Fans nochmals gestiegen sind. Wie seid ihr damit umgegangen?
RDC: Es stimmt, Attack on Titan ist ein unfassbar beliebter Titel und die Wartezeit war enorm. Der Hype um die Titanen sorgt natürlich auch für ein erhöhtes Maß an Nervosität, aber bei meiner Arbeit als Regisseur und Texter gehe ich selbstverständlich bei jedem Projekt mit derselben Sorgfalt ans Werk. Wenn es sich dann um einen Anime handelt, den ich selbst schon kenne und schätze, fließt noch eine Extraportion Liebe und Seele mit ein!
MF: Natürlich weiß ich, dass die Erwartungen an die deutsche Synchronfassung sehr hoch sind, aber genauso hoch sind meine eigenen Erwartungen an mich selbst und das Projekt. Ich hole alles aus mir heraus und versuche, die Rolle so gut es nur irgend geht zu spielen beziehungsweise zu sprechen. Wir versuchen auch, sowohl textlich als auch emotional möglichst nah am japanischen Original zu sein.

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Attack on Titan ©Hajime Isayama,Kodansha/“ATTACK ON TITAN“Production Committee. All Rights Reserved.

René, wie schwer fiel dir die Auswahl der deutschen Attack on Titan-Synchronsprecher?
RDC: Die Suche nach Synchronstimmen ist in der heutigen Zeit aufgrund der Verfügbarkeit der Sprecher, deren Motivation und manchmal auch wegen der Honorare eine Herausforderung. Bei Attack on Titan kam hinzu, dass in der Abendschicht gedreht wurde – so sind einige potentielle Sprecher zeitlich leider direkt ausgeschieden. In Absprache mit dem Synchronstudio und dem Publisher Kazé gab es eigentlich nur bei den wichtigsten Charakteren Diskussionsbedarf, also bei Eren, Mikasa, Armin und Levi. Zwar gab es bereits eine Art Kontinuität aufrund des Realfilms, aber diese musste nicht zwingend berücksichtigt werden. Ich persönlich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden, es sind wunderbare Kollegen dabei, denen es Spaß macht zuzuhören! Bei manchen Besetzungen bin ich besonders happy, da ich letztendlich sogar exakt die Stimmen für das Projekt gewinnen konnte, die ich schon vor zwei Jahren beim erstmaligen Gucken von Attack on Titan im Kopf hatte, etwa Klaus-Dieter Klebsch als Keith Shadis oder Elmar Gutmann als Dot Pixis.

Max, warst du bereits mit dem Thema Attack on Titan vertraut, als du die Rolle von Eren Jäger angenommen hast?  
MF: Ich muss zugeben, dass ich Attack on Titan davor nicht kannte. Zu Schulzeiten habe ich unglaublich viele Mangas gelesen, Anime-Serien geschaut und auch den Zeichenstil geübt, jedoch irgendwann den Faden verloren. René hat mir anfangs ein paar Ausschnitte von Attack on Titan geschickt, damit ich einen ungefähren Eindruck von dem Projekt bekomme. Ich habe mir die Ausschnitte angesehen und sofort gesagt: „Ich bin dabei! Darauf hab ich Lust!” Bevor ich dann zu den Aufnahmen nach Berlin geflogen bin, habe ich mir die erste Staffel ganz in Ruhe angeschaut, unter anderem, um meinen Charakter kennenzulernen.

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Attack on Titan ©Hajime Isayama,Kodansha/“ATTACK ON TITAN“Production Committee. All Rights Reserved.

Welche besonderen Persönlichkeitszüge machen für dich den Charakter von Eren Jäger aus, und wie bist du an diese Rolle herangegangen?
MF: Eren Jäger ist als Kind ein munterer, draufgängerischer, mutiger, und vielleicht auch ein bisschen blauäugiger Junge. Selbst als er mitbekommt, was es wirklich heißt, außerhalb der Mauern seinen Dienst für die Menschheit zu verrichten, scheut er nicht davor zurück, seinen Traum weiterhin zu verfolgen. Als der Angriff der Titanen erfolgt, die Mauer durchbrochen und Teile der Stadt verwüstet werden und dann auch noch die Mutter von Eren und Mikasa gefressen wird, bricht für Eren die Welt zusammen. In ihm lodert nur ein einziger Wunsch: Rache. Davon angetrieben wird Eren erwachsen und stürzt sich in den Kampf gegen die Titanen. Als Schauspieler und Synchronsprecher muss ich mir ein klares Bild über meine Figur schaffen, damit ich sie spielen kann, sei es nun vor der Kamera oder im Studio, doch da ich mittlerweile schon bald seit 18 Jahren in dieser Branche tätig bin, fällt es mir nicht sehr schwer, in Rollen zu schlüpfen und diese zu interpretieren. Dabei hilft mir auch der japanische Originalton, von dem ich das meiste abnehmen kann. Ich höre, wie der japanische Sprecher es gemacht hat, und versuche, möglichst nah dranzukommen. Und da, wie ich finde, das Original wirklich großartig gesprochen ist, fällt es mir relativ leicht, im Studio Eren Jäger zu werden.

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Attack on Titan ©Hajime Isayama,Kodansha/“ATTACK ON TITAN“Production Committee. All Rights Reserved.

Und worin, René, liegt für dich der besondere Reiz von Jean Kirschstein, den du sprichst?
RDC: Jean gehört neben Mikasa, Levi und Sasha zu meinen Lieblingscharakteren in der Serie, denn mir gefällt seine aufrichtige, direkte und ehrliche Art. Ihm wird ja vorgeworfen, dass er in den sicheren Inneren Distrikt gehen will, um bei der Militärpolizei eine ruhige Kugel zu schieben. Doch so verwerflich finde ich das im Grunde gar nicht, denn ich schätze, die meisten von uns würden in dieser Welt genauso handeln. In Jean steckt aber auch ein mutiger Anführer, der sich für seine Kameraden aufopfert und mit Bedacht handelt, was ihn sehr sympathisch macht. Die Herausforderung beim Sprechen von Jean waren seine hitzigen Streitgespräche mit Eren, aber auch seine innere Zerrissenheit.

Kannst du uns einen Eindruck von einem typischen Aufnahmetag schildern? Wie können wir uns den Workflow zwischen dir als Dialogregisseur und den Synchronsprechern im Fall von Attack on Titan konkret vorstellen? Viele davon kennst du ja bereits aus vorherigen Produktionen, aber gibt es auch Sprecher, mit denen du hier erstmals zusammenarbeitest?
RDC: Bei Attack on Titan gab es viele Kollegen, mit denen ich zum ersten Mal gearbeitet habe, das war sehr spannend und eine schöne Erfahrung. Nach einer kurzen persönlichen Begrüßung und Vorstellung geht es dann für gewöhnlich auch schon direkt ans Eingemachte: Ich erkläre dem Sprecher in groben Zügen die Welt und Story der Serie und gehe auf die typischen Charaktermerkmale und Ziele der jeweiligen Rolle ein. Dann guckt man sich gemeinsam ein paar Ausschnitte an und dann wird auch schon sofort losgelegt. Witzigerweise kannten viele Kollegen die Serie bereits zumindest vom Namen her, obwohl sie sonst nicht so Anime-affin sind.

Attack on Titan ©Hajime Isayama,Kodansha/“ATTACK ON TITAN“Production Committee. All Rights Reserved.
Attack on Titan ©Hajime Isayama,Kodansha/“ATTACK ON TITAN“Production Committee. All Rights Reserved.

Und wie sieht für dich als Sprecher der Arbeitsablauf im Studio aus, Max?
MF: Die Aufnahmeleitung bespricht mit mir im Vorfeld die Aufnahmetage und Zeiträume. Dann bekomme ich zu jedem Tag meine Studiozeiten, wann und wo ich sein muss. Im Studio angekommen, besteht das Team aus vier Leuten: dem Dialogregisseur, der auf Ausdruck und Spiel achtet, dem Tonmeister, der für die Aufnahme und Technik zuständig ist, dem Cutter, der auf die Lippensynchronität des Sprechers achtet, und natürlich dem Sprecher selbst. Vor jedem Take, der meist aus ein bis drei Sätzen besteht, schaue ich mir das Original an, sehe den Filmausschnitt und höre die Originalstimme. Dies kann ich so oft machen, bis ich mir den Rhythmus und den Text gemerkt habe, dann läuft der gleiche Ausschnitt noch einmal, aber ohne Ton. Jetzt bin ich dran. Sobald alle vom Team zufrieden sind, geht es zum nächsten Take.

Schlägst du René als Dialogregisseur auch schon mal Änderungen am Wortlaut der Dialoge vor, wenn dir das sinnvoll erscheint?
MF: Da man so ein kleines Team ist, kann natürlich jeder seine Meinung zum Spiel oder Text äußern. Im Idealfall muss man nicht über Texte nachdenken, sondern kann in einem Fluss arbeiten. Jedoch kommt es natürlich auch mal vor, dass ein Satz nicht ganz zeitlich auf das Bild passt, dann muss sich der Regisseur etwas Äquivalentes einfallen lassen. Es kommt auch öfter vor, dass ich Ideen habe und diese mit einbringe, jedoch war es bisher bei Attack on Titan nicht nötig, da wir sehr gute Bücher haben, nicht zuletzt weil René wirklich tief in der Materie steckt und sich bestens auskennt.

Attack on Titan ©Hajime Isayama,Kodansha/“ATTACK ON TITAN“Production Committee. All Rights Reserved.
Attack on Titan ©Hajime Isayama,Kodansha/“ATTACK ON TITAN“Production Committee. All Rights Reserved.

Bist du immer nur als einziger Synchronsprecher mit der Aufnahmeleitung im Studio, oder triffst du dort hin und wieder auch mal auf die Sprecher der anderen Charaktere? Im letzteren Fall: Wie ist die Stimmung im Team? Als langjähriger Synchronsprecher kennt man doch sicherlich bereits viele Kollegen aus vorherigen Produktionen, oder hast du im Attack on Titan-Cast auch neue kennengelernt?
MF: Heutzutage arbeitet man größtenteils als einziger Sprecher im Studio. Auf die Kollegen trifft man höchstens mal vor oder nach der Arbeit, quasi im Anschluss. Sollte jedoch der Fall auftreten, dass man doch zusammen vor dem Mikro steht, ist die Arbeit meist sehr heiter, gern auch mal von Privatgesprächen unterbrochen (lacht) Da ich aber hauptsächlich in München arbeite, kenne ich noch nicht allzu viele Berliner Kollegen. Manche vom Namen, oder von der Stimme her, aber nicht immer persönlich. Bei Attack on Titan war ich sozusagen der Neue an Bord.

Die erste Staffel von Attack on Titan, die nun ab 28. Oktober bei Kazé Anime erscheint, umfasst insgesamt 25 Episoden. René, wie viel Produktionszeit nimmt die Synchronisation einer Serie dieses Umfangs insgesamt in Anspruch? Und beansprucht, anteilig gesehen, jede Episode den gleichen Zeitaufwand oder gibt es auch Folgen, an denen man aus bestimmten Gründen länger arbeitet?
RDC: Die ersten Vorbereitungen beziehungsweise die Projektplanung erstreckte sich über mehrere Wochen und Monate. Ich habe mit dem Verfassen des Dialogbuchs im Schnitt etwa einen Tag pro Folge gebraucht und für die Regie-Arbeiten im Studio ebenfalls. Einige Episoden gingen schneller von der Hand, besonders dann – ich drück mich jetzt mal spoilerfrei aus – bestimmte Protagonisten unter besonderen Umständen gegen die Titanen kämpfen, denn da wird nur gebrüllt. (lacht) Das ist dann zwar stimmlich etwas anstrengend, aber geht relativ flott über die Bühne.

Max, René, vielen herzlichen Dank für das Interview!

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